Das Aschenkreuz
wirkte zerknirscht wie ein kleines Kind, das den Milchtopf umgeworfen hatte. Catharina wandte sich an Mette.
«Jetzt erzähl ganz ruhig, was vorgefallen ist.»
«Ich bin so dumm, so ungeschickt.» Man sah, wie sie gegen die Tränen ankämpfte. «Ich hatte vor dem Morgenessen die Hühner und Ziegen gefüttert, weil Serafina doch nicht da war, und nach dem Essen wollte ich noch die Eier holen, weil Serafina immer noch nicht da war. Die Viecher hatten mal wieder ihre Eier ganz hinten unter den Verschlag gelegt, da, wo kein Licht hinkommt. Und so hab ich halt eine Kerze angemacht und bin da reingekrochen. Als ich mich hab aufrichten wollen, ist mir die Hex ins Kreuz gefahren – das tat so weh!»
Ein einziges Häufchen Elend sank Mette in sich zusammen und vermochte nicht weiterzureden.
«Und dabei ist dir die Kerze aus der Hand geglitten», brachte die Meisterin ihren Bericht zu Ende, «und hat das Stroh entzündet.»
Mette nickte unglücklich. «Ich bin dann mühsam raus aus dem Stall, weil ja jede Bewegung so weh tat, und hab nach Adelheid und Heiltrud gerufen und ganz laut ‹Feurio, es brennt!›. Aber Heiltrud hatte sich versteckt, weil sie doch so Angst vor Feuer hat, und Adelheid hat das Tor aufgemacht, damit Hilfe kommt. Bis dahin stand dann halt das Stalltor schon in Flammen. Es ist alles meine Schuld!»
Serafina hatte ihr mit Erstaunen zugehört. Jede hier wusste, dass die alte Mette sich schlecht bücken konnte, und deshalb hatte Serafina heute früh in der Messe auch ausdrücklich Adelheid beauftragt, sich an ihrer Stelle um die Hühner und Ziegen zu kümmern. Sie warf der jungen Frau einen scharfen Blick zu.
Adelheid senkte den Kopf. «Nein, es war nicht Mettes Schuld. Ich hätte den Stall machen sollen, aber …»
«Aber?», fragte Catharina streng.
«Ich hatte doch gestern Abend von meiner Base dieses Büchlein bekommen, diese Schrift von … von Margareta Poret. Nun ja, da hatte ich eben Mette gebeten, für mich die Stallarbeit zu übernehmen, weil ich noch ein wenig darin studieren wollte … Es tut mir alles so leid.»
Die sonst so sanftmütige Miene der Meisterin wurde streng. «Deine Reue in allen Ehren, Adelheid, aber nun hast du den Bogen überspannt. Du weißt, ich habe Hochachtung vor deiner Belesenheit, doch dein Eifer, dich in gelehrte Bücher zu versenken, darf dich nicht von deinen Pflichten abhalten. Heute hast du gesehen, wohin das führen kann. Schon einmal habe ich dich deswegen rügen müssen. Nun rüge ich dich zum zweiten und letzten Mal. Solltest du dich nicht bessern, musst du gemäß unseren Regeln das Haus verlassen. Ohnehin solltest du dir überlegen, ob du nicht bei den Dominikanerinnen mit ihrem Drang zur Mystik besser aufgehoben wärest.»
Adelheid sah erschrocken auf. «Nein … Bitte … Ich will mich bessern», stammelte sie. Auf ihrem schönen Madonnengesicht zeichneten sich rote Flecken ab, und sie tat Serafina plötzlich leid.
«Gut. Außerdem erwarte ich künftig von dir, dass du mir alle Schriften, die du liest, vorlegst. So etwas wie den ‹Spiegel der einfachen Seelen› möchte ich hier ohnehin nicht mehr sehen. Du weißt, dass das Buch verboten ist und dass Margareta Poret dereinst dafür verbrannt wurde. Du weißt hoffentlich auch, dass wir Beginen und freien Schwesternsammlungen seit alten Zeiten immer wieder verfolgt werden und du uns mit solcherlei Zeugs in Gefahr bringst.»
«Ja», murmelte Adelheid zerknirscht.
Mutter Catharina erhob sich. «Dann wollen wir uns jetzt an die Arbeit machen.»
Bis in die Abenddämmerung hallte der Hof von den Geräuschen von Hammer und Säge wider. Dann war der Hühnerstall so weit wiederhergestellt, dass die Tiere über Nacht eingesperrt werden konnten. Eines der Hühner hatte den Brand nicht überlebt, die beiden entflohenen waren von Grethe in einem der Nachbarhöfe aufgespürt worden.
Catharina warf ein letztes verkohltes Brett auf die Handkarre, die mitten im Hof stand.
«Den Schutt bringen wir morgen weg», beschied sie und fuhr sich über die schweißnasse Stirn. «Für den Ziegenstall müssen wir wohl doch Hilfe in Anspruch nehmen.»
Der Verschlag war leider nicht mehr zu retten gewesen, und so banden sie die beiden Ziegen mit einem Strick an der Werkstatttür fest.
Müde und verschwitzt gingen sie ins Haus zurück, wo Grethe auf die Schnelle einen Gerstenbrei gekocht hatte. Die körperliche Arbeit hatte Serafina von ihren Grübeleien abgelenkt. Über Stunden hatte sie nicht mehr an Barnabas
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