Das Aschenkreuz
wäre ihm ein Leichtes, über den Bischof von Konstanz eine päpstliche Ablasserlaubnis zu erlangen. Er werde meinem Einfallsreichtum freie Hand lassen, wenn er nur die Ministranten auswählen und einen Teil der Ablassgelder für sich verwenden dürfe. Nur leider …» Blasius’ Miene bekam etwas Weinerliches. «… leider ist mein guter alter Freund selbst vom rechten Weg abgekommen, in mehrfacher Hinsicht, aber vor allem, seitdem er sich dem Glücksspiel ergeben hat. So viel von seinem Besitz hat er schon verpfänden müssen und kann gleichwohl vom Spiel nicht lassen.»
Sie hatte es gewusst! Der feine Ratsherr steckte tief mit drin. Nur nutzte ihr diese Erkenntnis nichts mehr, weder ihr noch dem armen Barnabas.
«Jetzt aber genug der Plauderei. Höre ich da vom Tal herauf nicht Stimmen? Kommen da etwa schon die ersten Bauern angelaufen, um sich einen guten Platz zu ergattern? Nun, dann werden wir es eben nicht hier zu Ende führen, sondern oben im Wald. Da hört dich keiner, Serafina.»
Sie stieß einen erstickten Schreckenslaut aus und ließ sich zu Boden sinken. Noch war das Stimmengewirr weit entfernt. War da nicht auch das Winseln des Hundes zu hören? War der kleine Kerl zurückgekommen?
«Keine Angst, Serafina, es wird schnell gehen. Aus dir werde ich keinen Judas machen, dazu mangelt es dir als Weib denn doch an Größe. Leider war mir nicht genug Zeit vergönnt, mein Werk bei diesen Verrätern zu vollenden. Bei dem Dummkopf von Ministranten kam mir ja leider ein Schweinehirt in die Quere, als ich ihm den Bauch aufschlitzen wollte, und bei unserem Mitbruder dieser elende Bettelzwerg. Gerade als ich Rochus aufknüpfen wollte, hab ich den Tölpel herankommen hören, mit seinem ewigen Pfeifen und Singen. Warte noch, erst müssen Schleier und Gebände herunter …» Grob zerrte er an ihrem Kopf herum. «… wenn der erste Schnitt Erfolg haben soll. – Jetzt aber nichts wie los und hinauf in den Wald.»
Er riss sie in die Höhe und stieß sie zur Tür, die er hastig entriegelte. Serafina, die sich kaum noch auf den Beinen halten konnte, wusste, nun war sie endgültig verloren. Sie würde sterben, ohne dass sich ihr größter Herzenswunsch erfüllte: Einmal nur noch ihren Sohn wiederzusehen.
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Kapitel 29
D ie Tür schwang auf, und eine grelle Morgensonne stach ihr ins Gesicht. Sie schloss die Augen. Die Stimmen der ersten Kirchgänger waren inzwischen deutlich zu vernehmen, sie mussten fast den Kirchhof erreicht haben. Doch für Serafina kamen sie zu spät.
«Hinaus mit dir!», hörte sie es hinter sich schnauzen und spürte, wie Blasius’ massiger Bauch sich gegen ihre gefesselten Hände schob. Das Nächste, was sie spürte, war ein Luftzug dicht über ihrem Kopf, sie hörte einen Schlag, als ob Holz gegen Holz krachte, gefolgt von einem schmerzerfüllten Aufschrei und wütendem Hundegebell.
«Du verfluchter Schweinepriester! Ich mach dich fertig.»
Das war doch die Stimme des Stadtarztes! Serafina riss die Augen auf, warf sich zu Boden und rollte sich zur Seite, während Adalbert Achaz zum nächsten Schlag ausholte. Sein sonst so friedfertiges Gesicht war vor Wut verzerrt. Für diesmal war der Mönch schnell genug, um auszuweichen, stürzte sich seinerseits mit Gebrüll auf den Medicus. Mit lautem Kläffen raste der kleine Hund um die Kämpfenden herum, die sich ein verbissenes Gerangel lieferten. An Körperfülle und Kraft standen sich die beiden Männer in nichts nach, kein Sieger, kein Unterlegener zeichnete sich ab. Am Ende war es Blasius, der wieder freikam. Er versetzte Achaz einen Faustschlag gegen die Schläfe, der ihn rückwärts gegen die Hüttenwand taumeln ließ. Blasius trat einen Schritt zurück.
«Jetzt ist’s aus mit dir, Medicus.» Zu Serafinas Entsetzen zog er einen langen, spitzen Dolch aus seiner Kutte. «Wenn du Glück hast, reicht die Zeit noch für ein letztes Gebet.»
Seine Augen schimmerten glasig, und seine Lippen umspielte ein entrücktes Lächeln, während er mit dem Dolch in der erhobenen Faust auf Achaz zuging.
«Nein!» Blitzschnell warf Serafina, die noch immer auf dem Boden lag, sich herum und schleuderte ihre Füße mit aller Wucht gegen Blasius Schienbein. Wie ein gefällter Baum ging der Mönch zu Boden, keinen Atemzug später war der Hund bei ihm und biss ihn ins Handgelenk. Mit einem Schrei ließ Blasius den Dolch los.
«Braves Tier!»
Achaz sprang herbei und klaubte den Dolch aus dem Gras, bevor er seinem Gegner noch einen
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