Das Attentat - 0
»Die Vorräte sind zur Neige gegangen.«
»Das ist ein Jammer«, sagte der alte Mann.
»Das ist es in der Tat.« Corbec konnte kaum glauben, was er sah. Er – und jeder andere Tanither – hatte angenommen, dass von ihrer Welt nichts mehr übrig war, außer ihnen selbst und den Dingen, die sie mitgenommen hatten. Aber hier war ein Stück von Tanith, das überlebt hatte, das von den Feuern verschont worden war. Wie viele andere kleine Relikte gab es noch, zum Beispiel in Holzgeschäften und Schreinerwerkstätten in diesem Sektor?
Und wie verdammt richtig es ihm vorkam, dass dieses Holz seinen Weg mit ihnen hierher gefunden hatte. Gaunt glaubte, das Schicksal habe sie an Herodor gebunden, irgendein großer, unsichtbarer Vorgang bestehend aus Zufall und kosmischer Synchronizität habe sie mit diesem Ort und dieser Zeit verbunden. Und hier war der Beweis dafür.
»Ich frage mich …«, begann Corbec.
»Was denn?«
»Ich frage mich, was Sie hier tun. Ich meine, jetzt, wo die Invasion läuft. Die Straßen sind leer, und alle haben sich in die Makropoltürme zurückgezogen. Warum sind Sie noch bei der Arbeit?«
»Kriegswichtige Arbeit«, sagte Wyze. »Gehört alles mit dazu.«
»Kriegswichtig? Woran arbeiten Sie denn?«
»Ich mache Särge«, sagte Wyze. »Davon werden wir eine Menge brauchen.«
Die Nacht brach herein. Die heftigen Kämpfe in den nördlichen Stadtteilen der Civitas flauten nicht ab. Sie erleuchteten die Nacht mit ihren Blitzen und Strahlen. Tiefer im Herzen der Stadt flackerten und leuchteten viele Tausend Feuer, die Folge des Granatbeschusses und der ständigen Luftangriffe. Alle paar Minuten rasten Heuschrecken aus der zunehmenden Dunkelheit im Tiefflug über die Stadt und warfen Bomben ab oder schossen mit den Bordwaffen in die Tiefe.
In den Obsidae landeten weiterhin die Invasionstruppen. Die schneeweißen Positionslampen der Landungsboote brannten wie Leuchtkugeln in der Luft. Die Landeplätze waren durch Reihen von Phosphalampen gekennzeichnet worden, und während sich in der Wüste der kalte Nachtwind erhob, formierten sich unter den Kommandos der Einweiser Panzerkolonnen und Infanteriebrigaden in ihrem Schein. Die Glasfelder erstrahlten im Glanz leuchtender Lampenkreise. Heuschrecken-Formationen jagten beständig über das Gebiet hinweg. Massige Transporter senkten sich herab, die bei der Landung Staubwände aufwirbelten und den Boden erschütterten. Regenbogenfarbene Schleusen öffneten sich an ihren dicken Flanken und gebaren Horden von Schleichpanzern. Andere landeten mit geöffneten Rampen wie Krokodile und Reihen von Panzern, gepanzerten Truppentransportern und Selbstfahrlafetten ergossen sich aus ihnen in die staubige Ebene.
Über ihnen leuchteten die unheilvollen Sterne der alles beobachtenden Feindschiffe am Himmel.
Saul, der Scharfschütze, kam durch Glaswerke in die Stadt. Den größten Teil des ersten Tages verbrachte er damit, den Fronteinheiten zu folgen, die Straße für Straße durch die Civitas pflügten. Saul hatte keine Aversion gegen das Kämpfen, aber hier auf Herodor hatte er nichts damit zu tun, also zog er es vor, sich nicht die Hände schmutzig zu machen. Er überließ die Schinderei den Todesbrigaden und den Panzern. Er redete mit niemandem, denn er bereitete sich geistig auf die Aufgabe vor, die der Magister ihm gestellt hatte, aber er ließ das Helmkom auf Empfang geschaltet und hörte den ganzen Tag dem Kom-Verkehr seiner Einheiten zu. Gelegentlich wechselte er auch auf eine Feindfrequenz.
Angeblich waren deren Kom-Signale verschlüsselt, aber ihre Techmagier hatten die imperiale Verschlüsselung in den ersten Stunden des Angriffs geknackt. Saul sprach fließend Niedergotisch. Er fand es nützlich, das Geschwätz der schwachen Seelen zu verstehen, auf die er Jagd machte. Als seine Einheiten gegen Mittag ihre Störwaffen eingesetzt hatten, war er sehr enttäuscht gewesen, das imperiale Signal zu verlieren.
Jetzt war es wieder da. Das freute ihn, auch wenn es bedeutete, dass der Feind zumindest ein paar der speziellen Psionikervehikel ausgeschaltet haben musste.
Bis zum Einbruch der Nacht hatte er die Kreuzung Prinzipal VI und Brazenstraße erreicht. Das konnte er seiner Kartentafel entnehmen. Die Techmagier in der ersten Welle hatten den Datenbanken der taktisch-logistischen Zentrale der Civitas in der ersten Welle Straßenkarten und Stadtpläne buchstäblich entrissen, da die vom Feind eingesetzten Schutzprogramme geradezu lächerlich primitiv waren.
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