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Das Attentat

Das Attentat

Titel: Das Attentat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Mulisch
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etwas Unverständliches vor sich hin und mußte noch lauter lachen.
    Wenn seine Freunde ihn jetzt sehen könnten! Doch die saßen zu Hause und langweilten sich und hatten von nichts eine Ahnung.
    Auch Schulz zog einen Mantel an und setzte einen Helm auf, und nachdem er vom Ortskommandanten den Brief für Amsterdam geholt hatte, den er auf dem Flur in die Innentasche des Mantels steckte, verließen sie das Gebäude.
    Aus dem dunklen Himmel fielen dünne, glitzernde Eisnadeln.
    Vor der Garage, auf der anderen Seite des abgesperrten Geländes, wartete eine kleine Kolonne: vier hohe, mit grauen Planen abgedeckte Lastwagen und an der Spitze ein langer, offener Kübelwagen. Auf der vorderen Bank saß neben dem Fahrer ein Offizier und hielt unzufrieden Ausschau nach dem Feldwebel und dem Jungen, auf den beiden Sitzbänken dahinter hockten vier dick eingemummelte Soldaten mit Maschinenpistolen auf dem Schoß. Anton mußte sich in das Fahrerhäuschen des ersten Lastwagens zwischen den mürrischen Fahrer und Schulz setzen. Was es alles gab! Anton war noch zu jung, um sich bewußt erinnern zu können und erfuhr jedes neue Ereignis als etwas, das das Vorhergegangene verdrängte und praktisch ungeschehen machte.
    Sie fuhren durch die Peripherie von Haarlem und kamen auf die lange, zweispurig neben dem alten Kanal herlaufende Straße nach Amsterdam. Es war kein Verkehr auf der Straße. Links hingen die Oberleitungen von Eisenbahn und Straßenbahn in Spiralen bis auf die Erde, an manchen Stellen waren die Masten umgefallen, und hier und da hatten sich die Schienen wie die Fühlhörner einer Schnecke aufgerichtet. Auf beiden Seiten lag das hartgefrorene Land. Sie fuhren langsam, konnten sich durch den Motorenlärm hindurch jedoch nicht unterhalten. Alles in dieser Fahrerkabine war aus schmutzigem, vibrierendem Eisen, das Anton auf seine Art mehr über den Krieg sagte als alles, was er darüber gehört hatte. Das Feuer und das Eisen: das war der Krieg.
    Sie fuhren, ohne jemandem zu begegnen, durch Halfweg, an der verödeten Zuckerfabrik vorbei, und kamen auf das letzte Stück der zwanzig Kilometer langen Straße nach Amsterdam. Hinter dem Erdwall, der, wie sein Vater ihm erzählt hatte, früher einmal für eine Ringstraße aufgeworfen worden war, sah er am Horizont die Stadt liegen. Als sie am verschneiten Torfstich vorbeikamen, fuhr das vorderste Auto plötzlich abrupt auf die Böschung zu, während die Soldaten mit den Armen winkten, schrien und heruntersprangen. Im gleichen Augenblick sah Anton das Flugzeug: nicht größer als eine Mücke flog es in der Ferne quer über die Straße. Der Fahrer trat auf die Bremse und brüllte:
    »Raus!«
    Ohne den Motor abzustellen, sprang er aus der Fahrerkabine, ebenso Schulz auf der anderen Seite. Von überallher war Geschrei zu hören, vorn die Männer hockten hinter ihrem Wagen, die Maschinenpistolen schußbereit vor der Brust. Jemand stand neben dem Wagen, gestikulierte und schrie Anton etwas zu, aus den Augenwinkeln sah er, daß es Schulz war, aber er konnte den Blick nicht losreißen von dem kleinen Ding, das in einem Bogen über die Straße zog und dann genau auf sie zukam und dabei ganz plötzlich größer und größer wurde. Es war eine Spitfire, nein, ein Mosquito, nein, eine Spitfire. Gebannt starrte er auf das vibrierende Stück Metall, das sich ihm näherte, als liebte es ihn: ihm konnte es ja schließlich nichts antun, ihm nicht, er stand ja auf ihrer Seite, das wußten sie doch – gestern noch… Unter den Tragflächen sah er ein knatterndes Blitzen, Nichtigkeiten, der Mühe nicht wert. Auch auf der Erde begann es nun zu schießen, von allen Seiten zischte und knallte und ratterte es. Er spürte die Erschütterung der Einschläge und duckte sich unter das Armaturenbrett, weil er dachte, das Flugzeug würde ihn rammen, als es mit jaulendem Motor wie eine Walze über ihn hinwegzog.
    Im nächsten Augenblick wurde er unter dem Lenkrad hervorgezerrt und zur Böschung geschleift. Auf beiden Seiten der Straße sah er mindestens hundert Soldaten aufstehen. Weiter hinten, beim letzten Lastwagen, aus dem Rauch aufstieg, hörte er Stöhnen. Als die Maschine in den Wolken verschwand und nicht zurückzukommen schien, rannten die meisten dorthin. Mit immer noch wild klopfendem Herzen ging Anton zur anderen Straßenseite, um den Feldwebel zu suchen. Eissplitter stachen ihm ins Gesicht, sie waren so groß wie Grammophonnadeln. Auf der anderen Seite des Lastwagens, nahe beim Trittbrett, drehten

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