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Das Attentat

Das Attentat

Titel: Das Attentat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Mulisch
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kriecht,
Wird mehr als Leib und Gut verlieren,
Es verliert sein Licht.«
    »Wofür die Poesie doch gut ist«, sagte der Mann mit dem Schnurrbart. »Jetzt muß sie auch schon herhalten, um Napalmbombardements auf Dörfer zu rechtfertigen. Ich weiß, ist ja nur Asien. Aber während der Indonesien-Affäre hast du ja auch schon so eine seltsame Rolle gespielt. ›Indien verloren, Drangsal geboren‹, und so weiter. Ein schlechter Vers, meine ich, aber danach mußt du ihn fragen.«
    »Eine unbedeutende Zeile«, sagte der Dichter.
    »Da hörst du es. Genau diese Polizeiaktionen haben denselben Sjoerd ein paar Jahre seines Lebens gekostet. Dabei ist es den Niederlanden noch nie so gut gegangen, seit wir Indien los sind.«
    »Dank der Marshallplan-Hilfe, lieber Henk«, sagte de Graaff gelassen. »Von den Amerikanern, weißt du noch?«
    »Die waren sie uns auch schuldig, dafür brauchen wir uns nicht zu bedanken. Die amerikanische Revolution ist mit dem Geld von Amsterdamer Bankiers finanziert worden. So sieht der Aufstand einer englischen Kolonie aus, lieber Gerrit. Die Marshallplan-Hilfe zahlen wir übrigens bis auf den letzten Cent zurück, während ich bezweifle, daß wir jemals einen Cent von dem Geld aus dem achtzehnten Jahrhundert wiedergesehen haben.«
    »Erkundige dich«, sagte de Graaff.
    »Ich bin kein Kommunist, ich bin Antifaschist. Aber weil der Kommunismus der größte Feind des Faschismus ist, bin ich natürlich Anti-Antikommunist. Das stimmt.«
    »Weißt du, warum er im Widerstand war?« fragte Jaap plötzlich, während er sich mit einem Ruck vorbeugte. »Weißt du, für wen er das alles getan hat? Für die Prinzeßchen… « Er sprach das Wort aus, als müßte er sich übergeben.
    »Absolut korrekt«, sagte de Graaff und setzte wieder sein selbstzufriedenes Grinsen auf.
    »Ein ordinärer Oranierfaschist bist du, und sonst gar nichts.«
    »Du, ich geh nach draußen«, sagte Saskia und stand auf. »Das hier macht keinen Spaß. Bis gleich.«
    Während de Graaff lachend »Ein Ehrentitel, ein Ehrentitel!« rief, stand auch Anton kurz auf. In dem Gedränge sah er für einen Augenblick wieder die Frau, die ihm schon in der Kirche aufgefallen war. Sein Schwiegervater lachte indessen schallend und war endlich in seinem Element.
    »Was wißt ihr schon von dem geheimen Charme der Monarchie!« rief er übermütig. »Was ist schöner und erhebender für die Seele als Schloß Soestdijk am Abend? Hell erleuchtete Fenster, schwarze Limousinen fahren vor und wieder ab, Befehle hallen über den Rasen, überall Herren in Galauniformen mit blitzenden Säbeln, die Damen gehen im Abendkleid und mit funkelnden Juwelen die Freitreppe hinauf und werden von jungen Marineoffizieren willkommen geheißen. Drinnen das Glitzern der Kronleuchter, Lakaien mit großen silbernen Tabletts mit Champagner in den Kristallgläsern, und hin und wieder vielleicht sogar der Schatten eines Mitglieds der königlichen Familie. Wenn Gott will, vielleicht sogar Ihre Majestät persönlich! Und weit weg, hinter den Zäunen, im Nieselregen und bewacht von der Gendarmerie, das graue Volk…«
    »Das meint der, Herrgott noch mal, tatsächlich ernst!« sagte plötzlich der Dichter, dem zufolge es noch ein schönes Gespräch werden würde. »Jesus Maria! Wenn ich so ein Schweinehund wäre wie du, bekäme ich keinen Buchstaben mehr aufs Papier!« Aus seinem Mund flog ein Spucketropfen und landete auf de Graaffs rechtem Revers, nicht weit von dem hohen Orden im Knopfloch.
    »Was den führenden Kritikern zufolge ein Segen für die nationale Literatur wäre«, sagte de Graaff.
    »Laß dich doch nicht auf die Palme bringen, Mann«, sagte Henk zu dem rasenden Dichter.
    De Graaff zog sein Kavalierstuch hervor und entfernte das weiße Bläschen. Der Knoten seiner grauen Krawatte ragte fast waagerecht nach vorn, um dann in kühnem Bogen in der Weste zu verschwinden. Auch Jaap mußte lachen. Der Mann, der auf der anderen Seite des Dichters saß, ein berühmter Verleger, rieb sich kräftig die Hände und sagte begeistert:
    »Ein heißer Nachmittag!«
    »Dieses graue Volk«, sagte Henk, »hat deine königliche Familie vor kurzem in Amsterdam ganz schön mit Rauchbomben beworfen.«
    »Rauch bomben…«, sagte de Graaff mit tiefer Verachtung.
    »Und das wird dich noch den Kopf kosten«, redete Henk weiter auf jemanden ein, der hinter Anton stand. Anton drehte sich um und sah nun, daß die Wärme, die er die ganze Zeit in seinem Nacken gespürt hatte, von dem gewaltigen

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