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Das Auge der Dunkelheit (German Edition)

Das Auge der Dunkelheit (German Edition)

Titel: Das Auge der Dunkelheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Dekkard
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Nummer 16 eingedrungen. Sein Opfer packte Lo Han, als es gerade aus dem Badezimmer kam. Der Kerl brauchte Sekunden, um zu begreifen, warum er plötzlich auf dem Boden lag, Lo Hans Knie auf der Brust und ein Messer an der Kehle. Der Lautlose lockerte den Druck der Klinge.
„Er nicht hier. Er gefahren. Ich nur sauber machen“, stammelte der Hausangestellte krächzend. Das schauerliche Gesicht reichte. Bereitwillig gab der Boy Auskunft. Der Amerikaner mit den grünen Augen habe sich einem Forscherteam angeschlossen, das bereits aufgebrochen sei mit dem Ziel Bagan. Lo Hans Ärger darüber, sein Opfer schon das zweite Mal verfehlt zu haben, verflog rasch. Es wurde ihm leicht gemacht. Noch einfacher als einen Einzelreisenden fand er ein ganzes Forscherteam. Es würde keine Schwierigkeiten bereiten, an die nötigen Informationen kommen. Aber ein anderes Gefühl schaffte sich Raum. Dieser englische Hundesohn war eine Prüfung für ihn, dachte Lo Han. Ein Verfluchter. Ein Dämon. Deutlich spürte er es. Er würde etwas tun müssen, was er lange nicht mehr getan hatte. Und dazu brauchte er eine Opfergabe. Seine Hand, die das Messer hielt, spannte sich.
„Bitte nicht“, jammerte der Boy. „Ich nur sauber machen.“

Kapitel 29
    Diese Hoffnung ist dahin. Ich hätte alles aus ihnen herausgeprügelt. Sie wussten um den Tempel. Leider griff man meine beiden Besucher in der Nacht auf. Waren wohl zu mir unterwegs. Sie trugen Waffen bei sich. Grund genug, sie kurzerhand mit den übrigen Gefangenen zu exekutieren. Dem einen saß ein ungeheuerer Schrecken im Gesicht. Schiere Angst, Verzweiflung. Aber er fürchtete nicht den Tod. Achtete nicht einmal auf die Gewehre, die auf ihn gerichtet waren. Er sah mich an! Als lauere in mir die größere Gefahr. Welcher Schrecken quälte seine Seele? Welcher wartet auf mich?
B.C.
    „Reiskuchen. Es sind Reiskuchen.“
Ellen hielt ihm ein auseinandergefaltetes Stückchen Bananenblatt hin, in dem eine viereckige, weiß pampige Masse klebte.
„Nimm. Schmecken besser als sie aussehen. Nini hat sie gemacht.“
Mit einer munteren Geste verlieh das burmesische Mädchen Ellens Aufforderung Nachdruck. Zum ersten Mal zeigte sie sich Leonard fröhlich. Bislang gab sich Nini alle Mühe, ihm abweisend zu begegnen. Aus einem unerfindlichen Grund erwies sich ihr strahlendes Gesicht ebenso undurchdringlich wie ihr düsteres Mienenspiel.
„Danke“, lehnte er ab. „Ich habe keinen Hunger.“
Nini und Ellen tauschten ein paar Worte auf burmesisch. Ohne Zweifel ging es um ihn.
„Nimm schon“, sagte Ellen dann. „Du kränkst sie sonst. Wenigstens probieren. Du brauchst es nicht aufessen.“
„So ein Höflichkeitsding?“
Als Ellen nickte, nahm er ihr das Bananenblatt aus der Hand und führte es zum Mund. Einen Daumen hebend strahlte Nini. Der erste Bissen verkleisterte sofort die Zähne. Außer Reis konnte die klebrige Masse nur drei gehäufte Löffel Zucker enthalten. Leonard vermied es, das Gesicht zu verziehen, die einzige Reaktion, die das Zeug verdient hätte. Reglos ließ er diese rabiat süße Qual über sich ergehen. Es war ihm recht, wenn es dazu beitrug, dass Nini ihre Scheu ablegte. Wenn schon höflich, dann richtig, dachte er und stopfte sich den Rest in den Mund. Jetzt lachte Nini sogar auf. Dann drehte sie sich wieder nach vorn.
„Du kannst ihr mit so wenig eine Freude machen“, seufzte Ellen.
„Warum malträtiert sie nicht Ruud mit ihren kulinarischen Finessen?“, fragte Leonard und würgte die zähe Masse hinunter.
„Sie mag ihn nicht besonders“, lautete die Antwort. „Dich hingegen scheint sie inzwischen ins Herz geschlossen zu haben.“
Leonard sinnierte über die Verteilung der Sympathie und Antipathie unter dieser Reisegemeinschaft. Ruud sprach nur noch das Notwendigste und übergab sich dem Beleidigtsein abgewiesener Liebhaber. Ihm selbst gegenüber kam noch unverhohlenes Misstrauen hinzu.
Seit dem Wahrsager-Spektakel auf der Veranda des Hotels verhüllte sich Kaih, der burmesische Fahrer, mit taktvoller Unverbindlichkeit. Fühlte er sich unbeobachtet, tuschelte er mit Nini, was beide sofort abbrachen, sobald jemand hinzutrat. Und Ellen spürte den Graben, den er nach ihrer gemeinsamen Nacht gezogen hatte. Ihr markantester Wesenszug, ein unvoreingenommener Frohsinn, diente nun als Deckung, um ihre wachsende Unsicherheit zu verbergen. Es schmerzte ihn, den Grund für seine Distanz verheimlichen zu müssen. Er verfluchte die mörderischen Umstände, die sie

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