Das Auge der Dunkelheit (German Edition)
Hinweis.“
„Also darum geht es in Wirklichkeit.“
Abweisend verschränkte Ellen die Arme vor der Brust.
„Bist du so eine Art Schatzsucher?“
„Nein, bin ich nicht, glaub mir.“
Ein Teil von ihm mahnte zur Vorsicht, um ihr Leben willen nicht zu viel zu offenbaren. Ein anderer, dunklerer Teil seiner selbst hielt ihn gefangen, weil er es nicht offenbaren wollte. Deshalb flüchtete er über den Mittelweg.
„Der Besitzer dieses Dolches hat ein paar rätselhafte Notizen hinterlassen. Ich habe keine Ahnung, worum es dabei geht. Vielleicht ist es ein Schatz. Vielleicht ein anderes Geheimnis. Vielleicht ist es bloß ein Ammenmärchen.“
Zumindest die letzte Behauptung zielte an der Wahrheit vorbei. Dafür waren zu viele gestorben.
„Wärst du nicht auch neugierig?“
Die Frage reichte, den Anflug ihres Misstrauens hinwegzufegen.
„Schwarzer Buddha? Ich kenne nur einen Ort, an dem es bildhafte Darstellungen davon gibt. Pindaya. Das liegt in den Shan-Bergen. Weiter im Osten. Aber erstens haben dort nie Pyu gesiedelt und zweitens ist es keine Pagode, sondern eine Höhle.“
„Ich bin sicher“, warf Leonard vorsichtig ein, „dass mit - schwarz - nicht die Farbe gemeint ist.“
„Jetzt machst du mich wirklich neugierig. Du glaubst, es handelt sich um einen okkulten Ort?“
„Schau dir nur mal den Griff an.“
Der viergesichtige Dämon war älter als die übrige Arbeit. Er glotzte sie an aus finsterster Vergangenheit. War das möglich? Ihre Entdeckung stahl ihr wertvolle Sekunden. Sie meinte, Leonard suche etwas, als er nach vorn sackte. Erst sein Stöhnen holte sie aus ihrer Überlegung. Aus seinem Gesicht floh jede Farbe, mit verzerrten Zügen hielt er die Magengegend umkrampft.
„Kaih! Halt an! Sofort!“, schrie sie.
Kapitel 30
Aufzeichnungen des Reverend Willet, 15. April 1888
Auf meine Frage, warum er die Exekution zu verhindern gedachte, reagierte Captain Conley nur mit einer unwirschen Geste. Wir brachen noch am gleichen Tag Richtung Pagan auf. Ich vermute, er nahm mich nur mit, weil er sich Hilfe von mir versprach, was diesen ominösen Thian-o-Li-Tempel anging. Zudem lud er den Fotografen ein, ihn auf der Expedition zu begleiten. Für den Fall, er sei auf weitere, dramatische Effekte aus. Seine Kaltschnäuzigkeit hatte Conley maßlos beeindruckt. Easton Collingwood, so hieß der Mann, willigte sofort ein. In der Folge konnte ich beobachten, wie Collingwood, ähnlich dem Burschen Min Naing, der Ausstrahlung des Captain zusehends verfiel. Bis zur völligen Auslöschung seines eigenen Willens. Und er bekam Gelegenheit zu weiteren, dramatischen Effekten. Wir ritten durch das von Aufständen verwüstete Land. Verbrannte Dörfer, vergiftete Brunnen, totes Vieh, halb verweste Leichen am Wegesrand. Der Schrecken wollte kein Ende nehmen. Am zweiten Tag geschah es. Und zum ersten Mal befielen mich Zweifel an Captain Conleys ehrbaren Absichten. Wir stießen auf einen Bambuswald schier endloser Ausdehnung. Ihn zu umgehen, was ratsam gewesen wäre, würde uns zwei Tagesmärsche kosten. Aber Conley fürchtete, Bo Sai würde ihm dann entkommen. Der anderen Gefahr lachte er ins Gesicht. Die Männer bezeichneten es als Selbstmord, durch den Wald zu reiten. Lieutnant Endicott sagte, wenn Rebellen dort drinnen auf Lauer lägen, gebe es ein Gemetzel. Und Conleys Antwort? „Das will ich hoffen!“
Was in Herrgottsnamen ging in diesem Mann vor?
Vielleicht zwei Stunden waren wir in das finstere, stumme Geäst vorgedrungen, als Conley ein makabres Wegzeichen entdeckte. Ein menschliches Skelett, auf einen aus Bambus gefertigten, dreizackigen Stern genagelt. Dahinter verbarg sich ein Pfad. Conley ordnete Rast an und befahl seinem Burschen Min, ihn auf dem Pfad zu begleiten. Wir warteten bereits eine halbe Stunde, als wir einen irren Schrei hörten, von jenseits des Pfades. Keiner der Männer rührte sich, alle hielten ihre Waffen im Anschlag, starrten nervös ringsum in das Dickicht. Die nackte Angst griff um sich. Sie standen immer noch so dort, als Captain Conley und sein Bursche wieder auftauchten. Sie trugen eine Steinstele bei sich. Der Captain wies Collingwood an, eine Aufnahme davon anzufertigen. Dann zerbrach er den Stein und warf die Teile achtlos ins Gebüsch. Über das, was sie am Ende des Pfades vorgefunden hatten, schwiegen beide. Conley sagte nur, sie seien in einen Hinterhalt geraten und Min habe ihm das Leben gerettet. Tatsächlich war seine Uniform an der Schulter aufgeschlitzt. Aber mir
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