Das Auge der Dunkelheit (German Edition)
beschrieb die Begegnung mit einem Mann, dessen ebenso rätselhaftes wie blutrünstiges Schicksal mit dem Leonard Finneys verbunden war: Captain Blackford Conley. Diese Einträge dokumentierten Conleys verhängnisvolle Mission im Jahre 1888. Es war Leonard vergönnt, die sterblichen Überreste des Feldgeistlichen und seine Aufzeichnungen zu finden. Hätte er bereits zu Beginn seines Burma-Abenteuers Kenntnis von diesem Buch gehabt, wäre ihm das Übelste erspart geblieben. So kamen die darin enthaltenen Informationen für ihn zu spät.
Kapitel 19
Aufzeichnungen des Reverend Elijah Willet, 15. April 1888
Ich hegte nie die Absicht, ein Tagebuch zu schreiben. Meine Erlebnisse fasse ich stets in längeren Bri efen zusammen, die ich regelmäßig in die Heimat schicke. Dies trage ich unter dem Eindruck der tragischen Ereignisse nieder, die ihren Anfang nahmen vor gut zwei Monaten. Als sich unsere Wege verbanden und jetzt, wo das Ende nah zu sein scheint, wohl auf denkbar dramatischste Weise wieder trennen werden. Man sagt, der erste Eindruck, den man von einem Menschen erhält, sei stets der richtige. Genau weiß ich es nicht mehr, aber es muss Mitte oder Ende Januar dieses Jahres gewesen sein, als ich Captain Blackford Conley zum ersten Mal traf. Zu der Zeit hielt ich mich in der Garnison Prome auf, zwei Tagesreisen nördlich von Rangoon. Mein Ziel war die Sagaing Division im Norden Burmas. Die Unruhen, mittlerweile das gesamte Land in Brand steckend, nahmen jedoch beängstigende Ausmaße an, sodaß ich gezwungen war, länger als gewünscht in der Garnison zu verweilen. Captain Conley erschien mir, ich kann es nicht anders sagen, als das Paradebeispiel eines britischen Offiziers. Ich habe etliche Männer gesehen, auch höhere Ränge, die sich durch den aufreibenden Militärdienst in den Tropen gehen ließen und teils von Vagabunden nicht zu unterscheiden waren. Auch Captain Conley tat bereits seit fünf oder sechs Jahren Dienst in den Kolonien. Er kam, sagte man mir, erst kürzlich aus Britisch-Malaya nach Burma. Gerade einen Gewaltmarsch hinter sich, stand er vor mir in frisch gebügelter, blitzsauberer Uniform und akkurat rasiert. Ein kräftiger Mann voller Tatendrang, mit beachtlicher Bildung und geradezu höfischen Manieren. Der geborene Anführer, mit einer außerordentlichen Willensstärke. Sein einziger Makel bestand in der Abneigung gegen die einheimische Bevölkerung. Diese ist unter meinen Landsleuten weit verbreitet, bei Captain Conley hingegen weit stärker ausgeprägt. Warum dieser Mann, wie geschaffen für das Soldatenleben, es mit seinen 38 Jahren nur in den Rang eines Captain gebracht hatte, drang nur gerüchteweise an die Öffentlichkeit. Er hatte sich, ohne dass genaueres zu erfahren war, während mehrerer Einsätze in Malaysia „gewisse Freiheiten“ genommen. Da man aufgrund dieser Vorfälle seine dortige Position als unhaltbar betrachtete, wurde er nach Burma strafversetzt. Hier erhielt er den Auftrag, Bo Sai, einen gefährlichen Rebellenführer und seine Horde unschädlich zu machen. Das sei, wie er meinte, wörtlich zu nehmen.
„Sehen Sie, Reverend“, sagte Conley, „man bot mir eine Chance, meine Weste wieder weiß zu bekommen. Und was tun diese Herren? Machen mich zum Anführer einer Todesschwadron. Das soll meine Chance sein. Meine Weste wieder weiß zu bekommen, indem ich sie mit dem Blut eines Aufständischen tränke.“
Dennoch hielt ich das für einen makabren Scherz. Bis ich den Männern begegnete, die unter seinem Kommando standen. Zehn Soldaten aus englischen Einheiten und etwa fünfzehn aus indischen. Bis dahin hatte ich noch keinen verderbteren Haufen gesehen. Ohne jeden Zweifel stammte das gesamte Kontingent aus dem Rangooner Gefängnis. Männer, die der übelsten Verbrechen angeklagt waren, und denen sich hier wohl ebenfalls eine Chance bot, ihre Weste weiß zu bekommen. Eine Bande Wegelagerer, deren Charakter sich in keiner Weise von dem der Rebellen unterschied, die sie zur Strecke bringen sollten. Captain Blackford Conleys Erscheinung wollte sich in seiner Würde und Stattlichkeit nicht in dieses Bild fügen. Und so mißtraute ich auch dem, was ich aus dem Mund des 2. Offiziers erfuhr. Dieser Mann, Lieutnant Preston Endicott, erzählte, sie seien auf der Jagd nach Bo Sai auf ein Dorf gestoßen, das im Verdacht stand, den Rebellen Unterschlupf gewährt zu haben. Captain Conley selbst, behauptete Mister Endicott, gab den Befehl, es niederzubrennen und die gesamte
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