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Das Auge der Seherin

Das Auge der Seherin

Titel: Das Auge der Seherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Victoria Hanley
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daraus lesen kann, wird er mich immer bei sich behalten und ich werde für immer die Königin seines Herzens sein.
    Vor Torinas Zimmer wartete Toban. Er lehnte lässig an der Wand, denn er hatte den Befehl, niemals den Eindruck zu erwecken, als bewache er die Tür. Falls jemand fragte, sollte er sagen, er sei hier, um der verrückten Prinzessin zu Diensten zu sein. Irene lächelte ihn an, obgleich sie wusste, dass ihr verschleiertes Gesicht kaum zu erkennen war. Toban blickte den Gang hinauf und hinunter, dann schloss er die Tür auf. Mit einem Gähnen winkte er sie durch und kniff sie im Vorübergehen leicht in den Arm. Er kniff oder drückte sie jedes Mal und Irene ließ ihn gewähren. Sie könnte es Vesputo sagen, aber es war doch so harmlos. Außerdem sah Toban gut aus. Sie betrat das Zimmer und hörte hinter sich den Riegel wieder zufallen. Torina lag in ein Nachtgewand gekleidet im Bett, das Haar fiel in einem roten Zopf über ihre Schulter, die Decke lag halb über ihr. Ihr Haar ist ebenso dick und lang wie meins. Ob Vesputo es mag? Doch sie sieht merkwürdig aus. Früher war sie eine Schönheit. Aber jetzt ist sie entschieden zu blass. Irene beugte sich vor, um das Tablett neben dem Bett abzustellen, und in diesem Augenblick warf Torina die
    Decke von sich und sprang auf. In ihrer Hand blitzte ein Dolch. Irene spürte sich von hinten am Zopf gepackt, ihr Kopf wurde zurückgerissen, so dass ihr Hals frei lag. Ihr stockte der Atem, als sie den kalten Stahl an ihrer Haut spürte.
    „Ein Laut und du bist tot", zischte Torina. Irene wimmerte und spürte, wie die Klinge sich in ihre Kehle drückte. Sie erstarrte zur Bewegungslosigkeit. „Trink", befahl Torina. Irene schossen die Gedanken durch den Kopf, der scharfe Stahl versetzte sie in Panik.
    „Trink", hörte sie wieder und begriff endlich, dass Torina den Kelch meinte. Unbeholfen setzte sie den Schlaftrunk an die Lippen und trank ihn in einem Zug aus, nur ein paar Tropfen rannen an ihrem Kinn herab. „Gut. Setz dich hin." Torina zerrte sie am Zopf. Irenes Knie gaben nach und sie fiel auf das Bett. Torina ließ sie los und zog das Messer zurück. Aber sie blieb mit erhobenem Dolch und blitzenden Augen vor ihr stehen. „Wa... was habt Ihr vor?", stammelte Irene. „In ein paar Minuten weißt du nicht mehr, was ich tue oder was dir geschieht, wenigstens nicht bis morgen früh."
    Morgen! Das hieß, sie würde sie nicht töten. Sie sollte nur betäubt werden. Bestimmt verfolgte Torina einen verzweifelten Plan, doch sie, Irene, würde unbeschadet davonkommen. Vesputo würde sicher wütend sein, aber was konnte sie dafür? Sie war überrumpelt worden. Woher hätte sie wissen sollen, dass dieses zahme Mädchen gefährlich werden würde?
    Torina stand bewegungslos über ihr und beobachtete jeden ihrer Atemzüge. Irene blickte an ihren Händen herab und ließ sich vom Muster der Spitzen an ihren Ärmeln einfangen. Sie merkte, wie ihr Atem langsamer und schwerer wurde. Sie konnte die Augen nicht mehr aufhalten. Die Spitze schimmerte eigenartig und sie sank auf das Kissen zurück.
    Mit gezücktem Dolch untersuchte Torina das schlafende Mädchen. Sie hob Irenes Arme und ließ sie schwer zurückfallen. Die Droge, was auch immer es sein mochte, zeigte ihre Wirkung. Gut. Vor dem nächsten Tag würde Irene nicht in der Lage sein irgendetwas zu verraten. Sie machte sich an die Arbeit, packte Irenes langen, blonden Zopf, trennte ihn mit dem Dolch ab und warf ihn aufs Bett. Dann langte sie hinter sich, schloss die Augen und schnitt ihren eigenen Zopf ab. Dann zog sie Irenes Spitzenhäubchen ab und befestigte den blonden Zopf sorgfältig an seiner Innenseite. „Zum Glück trägst du immer diese dummen, kleinen Schleier", sagte sie zu der schlafenden Gestalt auf dem Bett. Sie beugte sich herab und begann, Irene zu entkleiden.
    Schwache Geräusche vom Flur hämmerten an ihr Herz. Aber bald war sie fertig und zog Irene ihre eigene, schlichte Nachthaube über, an der sie den roten Zopf befestigt hatte. Nur die sanfte Wölbung ihrer Wange war noch zu sehen.
    Rasch legte Torina sich das üppige Kleid der Anderen an und mühte sich mit tauben Fingern mit Knöpfen und Schleifen ab.
    In einem der Unterröcke entdeckte sie eine Tasche, die von einem schweren Gegenstand heruntergezogen wurde. Ihre Finger erkannten die Kristallkugel. Sie zog sie hervor, umfing sie mit beiden Händen und ließ sie wieder zurückgleiten.
    Dann band sie sich Irenes Haube um und bedeckte ihr Gesicht mit dem

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