Das Auge des Basilisken
dich zu sehen!« sagte sie. »Ich hatte nicht erwartet, daß …«
Weiter kam sie nicht, den Alexander war über die Schwelle in den kleinen Vorraum getreten, schloß sie in die Arme und begann sie mit konzentrierter Aufmerksamkeit zu küssen. Ihre gedämpften Geräusche verrieten, daß er es damit nicht bewenden ließ, und wandelten sich von sanfter zu akuter Überraschung und dann zu freudiger Erregung. Nach einer Weile ließ er von ihr ab.
»Ich liebe dich«, sagte er.
»Und ich liebe dich.«
Sie eilten die hölzerne Treppe hinauf und in ein niedriges Schlafzimmer im rückwärtigen Teil des Hauses, dessen Fenster den Blick auf Getreidefelder und eine große Nadelholzschonung freigab. Von diesem Ausblick war im Bett, wo Alexander dem blonden Mädchen sehr bald auf den Leib rückte, nichts zu sehen. Ihre Aktivitäten dauerten einige Zeit an, länger als sie erwartet hatte oder gewohnt war, nach ihren Reaktionen zu urteilen. Zuletzt sagte sie zärtlich:
»Du bist auf mich losgegangen, als ob du mich spalten wolltest. Was ist passiert?«
»Nichts, ich dachte bloß an dich, und du gingst mir nicht mehr aus dem Kopf. Wärst du nicht zu Hause gewesen, ich weiß nicht, was ich getan hätte.«
»Lieber Alexander.«
»Meine liebste, allerschönste Kitty.«
Russisch war das bei weitem bevorzugte Verständigungsmittel zwischen den beiden Sprachgemeinschaften; es wurde in allen Schulen gelehrt, und für die Beschäftigten der Verwaltungsbehörden gab es keinen Anreiz, die Sprache der unterworfenen Nation zu lernen. Eine Ausnahme machte lediglich die Sicherheitsabteilung unter Direktor Vanag. Dieser Stand der Dinge war ganz nach Alexanders Geschmack: er hatte keine Mühe gescheut, um in der Lage zu sein, das Englische akzentfrei zu sprechen oder dies zumindest so zu tun, daß es russischen Ohren so schien, und außerdem hatte er einige ziemlich komplizierte Redensarten der Begrüßung und anderer Umgangsformen sorgfältig ausgewählt und einstudiert, zusammen mit einigen nützlichen Artigkeiten wie denjenigen, die er soeben bei seiner Ankunft ausgesprochen und gehört hatte, aber im ganzen war sein Vokabular klein geblieben, und seine Fähigkeit, ein Gespräch zu führen, war noch geringer.
Im Augenblick war dies jedoch eine erträgliche Schwäche. Summend machte er sich daran, einige von den Körperteilen seiner Liebsten zu streicheln, um die er sich vorher in der Eile, unverzüglich ans Ziel zu kommen, nicht gekümmert hatte. Dabei überlegte er umnebelt, welch ein großer Vorteil hübscher Mädchen es sei, daß sie zu allen Zeiten und in jedem Stadium des Spiels attraktiv bleiben, darauf noch umnebelter, wie überaus zweckdienlich es sei, daß das, was Mädchen, ob hübsch oder nicht, am liebsten empfingen, genau damit übereinstimmte, was zu geben Männer am ehesten geneigt waren. Kitty ließ kleine Laute der Befriedigung vernehmen. Angenehme Düfte und Vogelgesang drangen zum offenen Fenster herein, durch dessen Öffnung auch eine Hummel hereingesummt kam und nach einer suchenden Runde durch das Zimmer wieder hinausflog.
»Wie glücklich wir sind«, sagte Kitty. »Es hätte leicht sein können, daß wir einander nie begegnet wären. Hast du daran schon einmal gedacht?«
»Nein«, sagte Alexander wahrheitsgemäß. »Und ich glaube es nicht, Liebling. Ich glaube, es war uns vorbestimmt, daß wir einander finden sollten.«
»Du meinst, von Gott, oder dem Schicksal oder …?«
»Einem von denen. Etwas führte mich nach England und uns zusammen. Du erinnerst dich an unsere erste Begegnung?«
»Ja, du machtest dich in Northampton auf der Straße an mich heran.«
»Du bist sehr süß, Kitty, weißt du, aber manchmal kannst du schrecklich derb sein. Ich machte mich nicht an dich heran. Ich habe dir hundertmal gesagt, wie es war. Eine wichtige Botschaft mußte zur Kommandantur gebracht werden. Der Kurier, der sie überbringen sollte, wurde im letzten Augenblick krank, und ich wurde an seiner Statt nach Northampton geschickt. Nach Erledigung meines Auftrags kam ich gerade aus dem Gebäude, als ich ohne besonderen Grund über die Schulter blickte und dich über die Straße gehen sah: und sofort wußte ich, daß wir füreinander gemacht waren, also lief ich dir nach und wurde beinahe von einem Fuhrwerk angefahren. Und ich sagte zu dir – ich kann mich nicht mehr genau erinnern, was es war …«
»Ich kann. Du sagtest: ›Möchten Sie gern einen Spaziergang machen?‹«
»Kann sein, das ist ganz unwichtig. Und dann
Weitere Kostenlose Bücher