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Das Auge des Basilisken

Das Auge des Basilisken

Titel: Das Auge des Basilisken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kingsley Amis
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großzügig – er gab nicht nur festliche Empfänge wie diesen, die allgemein gelobt wurden, sondern gestattete angeblich den Müttern seiner illegitimen Kinder, zu Vorzugspreisen bei ihm zu kaufen; und schließlich mußte jemand ein System dieser Art betreiben, wie sogar Direktor Vanag eingeräumt haben würde. Ferner gab es die Überlegung, daß praktisch jeder russische Haushalt inoffizielle Geschäfte mit ihm hatte. Den ersten Teil der fünf Minuten, die den jungen Leuten an Gesprächszeit zugestanden waren, verbrachte er mit einer Beschreibung des Hauses, das er sich in Cornwall bauen ließ, und im zweiten Teil gab er seinen Zuhörern Rätsel mit obszönen, aber ansonsten undurchdringlich geheimnisvollen Antworten auf. Zum Abschluß erklärte er ihnen, daß jeden Tag ein Dutzend Engländer erschossen werden sollte, um den anderen Respekt beizubringen.
    Als das getan war, begaben sie sich zum Abendessen ins Zelt. Der Lärm glich dem einer Menschenmenge, die ständig drauf und dran ist, eine Polizeikette zu durchbrechen. Die gewaltigen Schwaden von saurem Schweißgeruch, gemildert von dichtem Zigarrenrauch, trieben durch die stickige Luft. Es war nicht einfach, vier Plätze nahe beisammen zu finden; ein Kellner kam zu Hilfe, indem er eine bewußtlose Frau unter den Achseln packte und hinausschleifte. Ihre Absätze machten ein aufgeregt winselndes Geräusch auf dem Segeltuchboden. Am anderen Ende des Zeltes stieg ein sehr fetter Mann auf einen Tisch und fiel sofort wieder hinunter auf ein großes Tablett mit leeren Flaschen und schmutzigen Gläsern, das in diesem Augenblick von einem Kellner vorbeigetragen wurde. Zwei jüngere und weniger fette Männer, jeder mit den Händen an der Gurgel des anderen, kamen unter dem selben Tisch außer Sicht, und die in der Nähe Sitzenden bewegten die Beine zur Seite und fuhren im übrigen ohne Pause fort zu essen, zu trinken, zu rauchen und Anekdoten, Behauptungen oder Beleidigungen zu brüllen. Das Hauptgericht, dem eine kalte Nesselsuppe mit Kapern vorausgegangen war, bestand aus Boeuf Stroganoff, komplett mit Messer und Gabel auf dem Teller serviert; die Beschaffenheit von Theodors Portion, von denjenigen der anderen zu schweigen, war von einer Art, daß leicht ein verirrter Tennisball hätte dabei sein können, mit dem Fleisch zerschnitten und mit Soße übergossen. Auf dem Tisch standen Weinflaschen, außerdem wurde Wodka und Brandy getrunken, in vielen Fällen gleich aus der Flasche. Nach einer weiteren kurzen Pause wurden Schüsseln mit unansehnlichen Früchten und Tassen Kaffee aufgetragen, nicht weil die englischen Kellner tüchtig und fleißig gewesen wären, sondern weil sie die Arbeit hinter sich bringen und nach Haus gehen wollten; dieses Verhalten ließ Igor Swaniewiczs Vorschlag zur Hebung der Arbeitsmoral in milderem Licht erscheinen.
    »Es war muffig da drinnen«, sagte Nina, als sie nach der Mahlzeit wieder ins Freie kamen.
    »Ja«, pflichtete Theodor ihr bei. »Auch laut.«
    Sie verließen das hellbeleuchtete Gebiet im Umkreis des Hauses und schlenderten durch das sommerliche Dämmerlicht bis zu dem verlassenen Musikpavillon. Hier machten sie halt. Wären sie noch ein Stück weiter gegangen, würden sie auf die Unzucht treibenden Paare gestoßen sein, die in jenen Teilen des Gartens verstreut umherlagen. Bald saßen sie bequem im trockenen Gras.
    »Als wir uns das letzte Mal trafen«, begann Theodor in seinem angenehm ruhigen Ton, »sagten Sie etwas, das mir den Eindruck vermittelte, Sie hätten eine sehr starke Abneigung gegen Direktor Vanag. War dieser Eindruck richtig? Warum mögen Sie ihn nicht?«
    »Er ist ein Tyrann.«
    »Und Sie hassen Tyrannei. Was würden Sie tun, um dagegen zu kämpfen?«
    »Ich weiß nicht, ich habe nicht darüber nachgedacht. Was kann ich tun?«
    Er setzte es ihr auseinander. Sein Bekenntnis endete mit den Worten:
    »Ich bin kein romantischer Revolutionär in dem Sinne, wie Alexander es zur Hälfte ist, obwohl er mit der anderen Hälfte Soldat ist. Ich weiß, daß Wunden schmerzen und Kälte das Blut gefrieren macht und Gefangenschaft Verstand und Seele verzehrt. Aber in dieser Lage …« Er stockte.
    »Alexander, sagten Sie?« sagte Nina nach einer Pause von mehreren Sekunden. »Soll das heißen, daß er ein Teil dieser Bewegung ist?«
    »Er ist im Begriff …«
    »Aber das kann er nicht!« sagte sie heftig. »Er ist völlig ungeeignet. Sie können sich auf ihn nicht verlassen. Er würde Sie verraten, wenn es ihm paßte. Er

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