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Das Auge des Basilisken

Das Auge des Basilisken

Titel: Das Auge des Basilisken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kingsley Amis
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Art, sich in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu drängen, für unannehmbar erniedrigend hielt. Nina war frei von derartigen Hemmungen. Ohne Theodors vorsichtig abratende Worte zu beachten, trat sie vor und setzte sich an den kleinen, mit Fries gedeckten Tisch Agatha Tabidze gegenüber. Diese legte die Karten mit den Bildern nach unten in kleinen Stößen zu je einem halben Dutzend vor sich hin und deckte die zuoberst liegenden Karten scheinbar wahllos auf. Ninas Tugenden wurden aufgezählt, dann einige ihrer Kenntnisse und Fertigkeiten gewürdigt, wie etwa die Zubereitung eines beliebten Zitronensouffles; dieser Teil wurde in scherzhaftem Ton vorgetragen. Ernster wurde sodann ihre Verlobung behandelt, wobei ein paar weniger bekannte Fakten zur Sprache kamen. Schließlich – es war bald klar, daß die Wahrsagerei keinen allzu großen Umfang annehmen sollte – zog Frau Tabidze eine neue Karte, deckte sie auf und sagte in freundlichem Ton:
    »Und die Zukunft wird gut sein. Bald wird eine Zeit der Prüfungen kommen, nicht aus dir selbst, denn zwischen euch beiden wird es niemals ernste Schwierigkeiten geben, doch wird es nichtsdestoweniger eine beschwerliche Zeit sein. Aber sie wird vorübergehen, und ihr werdet zusammenbleiben und glücklich sein.«
    Unter den Beifallsrufen und dem Applaus der Umstehenden sprang Nina auf und umarmte Frau Tabidze, dann eilte sie lachend und weinend in Theodors Arme. Petrowsky verkündete nochmals, was soeben publik gemacht worden war, und die Gesellschaft brach in Hochrufe auf das Brautpaar aus, erneuerte ihren Applaus, und Toasts wurden ausgebracht. Einer der Zutrinker, ein untersetzter bärtiger Mann in weißen Hosen und einer kurzen flaschengrünen Jacke, hielt sich unmittelbar darauf den Mund zu und machte sich in schwankendem Trab zu den Toiletten davon. Dann wurde es wieder ruhig. Zwei Damen mittleren Alters, jede die Frau eines Beamten, wurden nacheinander durch ihre Vergangenheiten, Gegenwarten und Zukünfte geführt. Die allgemeine Aufmerksamkeit schweifte ab; nach emotionalen Abschiedsszenen und in einem Fall von beiden Seiten gestützt, machten sich mehrere Leute auf den Heimweg. Als der zweiten Dame die Karten geschlagen worden waren, trat eine Pause ein, und die sich bereits hinschleppende Unterhaltung schien ganz und gar zum Erliegen zu kommen. Endlich meldete sich der Beauftragte Mets und wurde angenommen.
    Die Wahrsagerin sah sich insofern in einer schwierigen Lage, als ihre Bekanntschaft mit dem neuen Klienten neu und flüchtig war, und daß er eine wichtige Position bekleidete, die überdies mit Fragen der Staatssicherheit verknüpft war und somit doppelte Delikatesse verlangte; mit dem sonst so probaten Mittel der Scherzhaftigkeit war es hier nicht getan. Zögernd zuerst, immer wieder die aufgedeckten Karten studierend, sagte sie dem Regierungsbeauftragten, daß er ein Mann von umfangreichem Wissen, verfeinertem Geschmack und sicherem Urteil sei, daß er seinen Pflichten mit völliger Hingabe diene, doch stets bestrebt sei, seine Horizonte in neuen Richtungen auszuweisen. Dazu kamen andere Komplimente, an denen kein Bürokrat mit Selbstachtung etwas hätte aussetzen können. Als sie zu den unvermeidlichen Schwierigkeiten und der Geduld kam, die sie mit der Zeit überwinden würde, ließ jemand ein gewaltiges Gähnen vernehmen, aber schon im nächsten Augenblick deckte Frau Tabidze eine Karte auf, hob den Blick zu Mets und ließ einen kleinen Ausruf des Erstaunens hören. Sie zögerte nicht mehr; nur die rechten Worte wollten sich nicht einstellen.
    »Zu den Schwierigkeiten, von denen wir sprachen«, sagte sie, »gehört offenbar eine, die … außerordentlich ernst ist. Ist das richtig?«
    »Ja«, sagte Mets in neutralem Ton. Aber er beugte sich unwillkürlich ein wenig vor und drückte die Hände gegeneinander.
    »Würde tatsächlich ein stärkerer Ausdruck passender sein? Dilemma? Krise?«
    »Ja. Nun, in einer Weise, sozusagen.«
    »Und sie ist in jüngster Zeit entstanden? Vor sehr kurzer Zeit?«
    »So könnte man sagen.«
    Frau Tabidze deckte eine weitere Karte auf und starrte sie eine Weile in stirnrunzelnder Konzentration an. Ohne den Blick davon abzuwenden, sagte sie langsam: »Dann muß ich Ihnen sagen, daß diese krisenhafte Schwierigkeit innerhalb einer vergleichsweise kurzen Zeit, die sicherlich nicht mehr als vier Wochen betragen wird, in Ihrem Sinne überwunden sein wird. Ihre Bestrebungen werden erfolgreich sein.«
    »Wie zufriedenstellend. Ich danke

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