Das Auge des Basilisken
guter Gesundheit.«
»Danke, ja. Einen schönen guten Abend, Fräulein Petrowsky, Herr Markow.« Direktor Vanag sprach in einer hohen Tenorstimme, die fast ein Alt war. Er trug eine der Uniformen ohne Rangabzeichen, dunkelblau und hochgeschlossen, in denen er immer zu sehen war. Diese Version war offensichtlich maßgeschneidert und aus deutlich besserem Stoff als seine Alltagsuniform. Theodors Begrüßung mochte nicht nach seinem Geschmack gewesen sein, aber er hatte darauf mit einem Lächeln geantwortet, was nahezu jedem anderen als freundlich und sogar anziehend zugutegehalten worden wäre. Der Blick seiner großen, klaren grauen Augen zeigte ähnliche Verbindungen mit Freundlichkeit und Freimut. In der Gelassenheit hatte sein Gesicht, fast faltenlos und von gesunder Farbe, einen gedankenvollen, weltfremden Ausdruck. Sein krauses, blondes Haar, kurzgeschnitten und rechts gescheitelt, hob sich ein wenig in der leichten Abendbrise. Seine Zähne waren klein und regelmäßig. Er war fünfundvierzig und sah wie fünfunddreißig aus.
»Sie müssen uns gratulieren, Direktor«, fuhr Theodor fort. »Fräulein Petrowsky und ich haben uns soeben verlobt.«
»Tatsächlich? Welch eine herrliche Idee. Ich gratuliere Ihnen sehr herzlich.«
»Dann dürfen wir annehmen, daß Sie unsere Verbindung billigen?«
»Billigen?« Vanag lachte fröhlich. »Natürlich billige ich sie, aber was für einen Unterschied könnte es machen, ob ich es tue oder nicht? Die Ansichten eines bescheidenen Federfuchsers können kaum jemanden interessieren. Nun gut, dieses zufällige Zusammentreffen kommt mir sehr gelegen, Herr Markow. Erst vor kurzem dachte ich, daß meine Unkenntnis der Tätigkeit Ihrer Kommission wirklich beschämend sei. Sie können mich aufklären. Vielleicht würden Sie so gut sein, mir einen kurzen Abriß zu geben.«
Theodor folgte der Aufforderung, und das Gespräch ging frei und ziemlich unbefangen hin und her. Nach einigen Minuten gesellte Alexander sich zu der Gruppe, hatte aber nichts beizutragen. Bald fing er an, kleine ungeduldige Bewegungen zu machen, denen die beiden anderen keine Beachtung schenkten.
»Es ist ein eindrucksvolles Unternehmen«, sagte Vanag abschließend mit ungewöhnlichem Interesse. »Ehrgeiziger als ich mir vorgestellt hatte.«
»Es ist das Geringste, was wir tun können, bedenkt man, wie wir sie in der Vergangenheit behandelten.«
»Tut mir leid, ich fürchte, ich komme nicht ganz …«
»Das Entnationalisierungsprogramm war nichts als ein Akt der Barbarei.«
»Mit allem Respekt, Herr Markow, wenn es das war, dann war es auch noch etwas mehr: es war das Mittel, den englischen Widerstandswillen zu brechen, und das mußte getan werden.«
»Es brach alles Englische. Der Maßstab des Ganzen war verkehrt. Schließlich brach der organisierte Widerstand schon am dritten Tag zusammen, nicht wahr?« Theodor bemühte sich, ruhig und höflich zu sprechen.
»Richtig. Die Feindseligkeiten hörten aber nicht sofort auf.«
»Ja, nach der offiziellen Geschichte gab es noch isolierte Widerstandsnester.«
»Genau so. Nun, Herr Markow, wenn Ihre Gefühle über diese Ereignisse Ihnen Anlaß geben, sich mit vermehrtem Enthusiasmus an Ihre Arbeit zu machen, um so besser für alle Beteiligten. Unser Gespräch war sehr interessant. Jetzt aber, fürchte ich, muß ich Sie verlassen. Fräulein Petrowsky, meine Herren.« Und mit einer anmutigen Kopfneigung wandte sich Direktor Vanag ab und nahm ein dargebotenes Glas des frisch ausgedrückten Zitronensafts, der ihm zu jeder Stunde und an jedem Ort zur Verfügung stand.
»Seltsam nicht wahr?« sagte Nina einen Augenblick später. »Wenn man nicht wüßte …«
Aber Alexander unterbrach sie. »Entschuldige, Nina, aber ich muß eine Minute mit deinem Verlobten sprechen. Unter Männern. Dann werde ich dir was zu trinken holen.«
Sobald sie allein waren, sagte Theodor: »Was in aller Welt ist geschehen? Du siehst aus …«
»Meine Eltern wissen über mich und Frau Korotschenko Bescheid.«
»Sind sie heute abend hier, die Korotschenkos?«
»Ich habe sie nicht gesehen.«
»Hoffen wir … Entschuldige, sprich weiter!«
»Nun, ich war ganz Überraschung und Empörung, aber meine Mutter ging einfach darüber hinweg und sagte, sie wisse Bescheid – sie ist in solchen Dingen immer viel zäher als mein Vater, in den meisten Dingen sogar. Sie versuchten mich zu warnen und abzuschrecken, sagten, sie sei verrückt und schlecht, aber das ist nichts Neues, obwohl sie eine
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