Das Auge des Basilisken
…«
»Aber warum sollte ich? Ich habe dir gesagt, was ich tun könnte, um die Liste zu bekommen, aber ich habe nicht gesagt, daß ich es tun würde. Warum sollte ich? Sag mir, warum ich es tun sollte!«
»Na gut. Hör zu! Dein Benehmen ist bisher wahrhaftig schlimm genug gewesen. Du hast nicht nur deinen Mann betrogen, indem du Ehebruch begangen hast, und das obendrein mit einem viel jüngeren Mann, sondern das Schlimmste sind diese üblen Perversionen, auf denen du bestehst, weil dein Gefühl für ein normales und gesundes Geschlechtsleben übersättigt und ermattet ist!« Autorität war in seiner Stimme, Würde und Resonanz, und annähernd Gleiches in seiner Haltung. Er hob den Zeigefinger. »Versuche dir einmal vorzustellen, wie deinem Mann zumute sein würde, hätte er dich vor ein paar Augenblicken gesehen, wie du rittlings auf einem Offizier in Uniform gesessen und wie eine betrunkene Zigeunerin auf und niedergehopst bist. Du bist abstoßend!«
Er hatte seine Strafpredigt kaum begonnen, als sie den Atem anhielt und ihre Züge vor Vergnügen vulgär und derb wurden. Als er seine Stimme zu noch tieferem Ernst senkte und seine Miene noch strenger wurde, machte sie ein blökendes Geräusch und ließ sich unbeholfen zu seinen Füßen nieder.
»Aber selbst das alles«, fuhr er fort, »verblaßt neben deinem Vorschlag, die schmählichsten Unwürdigkeiten auf dich zu nehmen, um dem Stolz und der Ehre deines Mannes einen tödlichen Schlag versetzen zu können, zur Bedeutungslosigkeit! Im Vergleich damit sind deine schmutzigsten Begierden der Unschuld gleich! Aber es wird Gerechtigkeit geschehen, und du wirst die Bestrafung erhalten, die dir zukommt!«
Frau Korotschenko hatte ihm einen seiner Schaftstiefel ausgezogen, und war im Begriff, ihm auch den anderen vom Bein zu zerren; es waren wirklich elegante Stiefel, widerstandsfähig aber fein gearbeitet von Lobb von St. James. Nun hielt sie inne und blickte hoffnungsvoll zu ihm auf.
»Du meinst, ich kann dir diese wieder anziehen?« fragte sie undeutlich.
»Nein, Sonja, ich kann dich nicht für etwas bestrafen, was du noch nicht getan hast. Wenn du mir die Liste gebracht hast, wird es eine andere Sache sein, das verspreche ich dir. Heute nachmittag werde ich dich nur für dein perverses Verhalten bestrafen.«
Sie nickte unterwürfig, zog den zweiten Stiefel ganz vom Fuß und stellte beide mit einem sehnsuchtsvollen Blick beiseite. Auf allen vieren bewegte sie sich zu einer Ecke des großen Veloursteppichs, der den Boden des Zimmers größtenteils bedeckte, und schlug ihn zurück, daß die mit Sandkörnern, Staubflocken und einigen toten Insekten überstreuten Dielenbretter zum Vorschein kamen. Hier legte sie sich ausgestreckt auf den Rücken. Alexander fiel die Rolle zu, ein paar Minuten nicht allzu fest auf ihr herumzutrampeln, wie er es das letzte Mal gelernt hatte. Jetzt wie damals widerstand er ihrem Verlangen, daß er diese Übung mit den Stiefeln ausführe. Es machte ihm wenig aus, ihr körperliche Schmerzen zu verursachen, wenn sie es so wollte, doch wollte er ihr auf keinen Fall wirkliche Verletzungen beibringen oder verräterische Flecken auf ihr zurücklassen. Wie beim vorigen Mal bemühte er sich beim Auftreten in lächerlicher Weise, sein Gewicht zu verringern, verwünschte im stillen die Abgeschmacktheit seines Tuns und versuchte erfolglos, es lustig zu finden.
Nach einer Weile hörte sie auf, sich am Boden zu winden und ihre doppeldeutigen Geräusche zu machen. Wieder angeleitet von früherer Erfahrung, stieg er von ihr herunter und wartete, während sie ziemlich taumelig auf die Beine kam. Was nun? Sie murmelte etwas von zwei Minuten und das gleiche Zimmer oben und schwankte hinaus. Gähnend kehrte er zu seinem Stuhl zurück. Zum ersten Mal fiel ihm auf, daß, wohin er auch sah, überall Darstellungen menschlicher Gestalten waren, auf Tellern und Tassen, als Teile von Uhren oder Kerzenhaltern, in Form von Puppen und Statuetten. Sie waren ohne Beachtung der Beschaffenheit des Materials, des Maßstabs oder der Zeit, geschweige denn des Stils gesammelt worden. Ihr Vorhandensein schien es fast unwahrscheinlich zu machen, daß hier zwei Menschen lebten, aßen, schliefen, Besuch empfingen, Musik hörten, Zeitungen lasen, das Fernsehprogramm sahen, Bediensteten Anweisungen gaben und von ihnen bedient wurden. Es war nicht völlig ausgeschlossen, daß Frau Korotschenko ihr Domizil ganz woanders hatte und dieses Haus allein als Übungsstätte für ihre Art
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