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Das Auge von Tibet

Das Auge von Tibet

Titel: Das Auge von Tibet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eliot Pattison
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weitere der schweren Sicherheitstüren in einen kleinen Raum, in dem vier Männer an einem Holztisch saßen und Landkarten studierten. Sie planten etwas. Shan erkannte den jungen purba , der sie am Ende der Fahrt erwartet und ihren Lastwagen übernommen hatte. Der Jugendliche blickte auf und nickte Shan ohne Groll verschwörerisch zu. Die anderen sahen Jowa an, nicht Shan, und wirkten dabei mürrisch und ungeduldig. An einem Tisch mit Thermoskannen stand ein fünfter Mann und drehte sich bei ihrem Eintreten um, ein dünner Uigure mit krummer Nase. Fat Mao. Er erklärte, er sei soeben aus Yutian eingetroffen, und reichte jedem der beiden Neunankömmlinge einen Becher Tee. Shan ließ den Blick durch den Raum schweifen. Aus Leitungen unter der Decke hingen einige lose Kabelenden. Auch ein Geflecht aus mehreren Rohren verlief dort, manche davon rot angestrichen. Auf der Innenseite der Tür warnte ein gelbschwarzes Symbol vor radioaktiver Strahlung. Die Wände waren nahezu vollständig mit weiteren Landkarten bedeckt, auf deren Rand häufig die Worte Nei lou geschrieben standen. Überall in den Karten steckten bunte Nadeln, und auf ihnen klebten viele kleine Zettel. Auf dem Tisch stand außerdem ein Laptop-Computer.
    »Ich habe ihnen von den Jungen erzählt«, sagte Jowa. »Auch von Gendun und Lokesh. Sie wollen, daß wir ihnen auf den Karten die einzelnen Tatorte der Morde zeigen.« Bei diesen Worten schob einer der Tibeter seinen Stuhl zurück und winkte Shan zu sich heran. Gemeinsam beugten Jowa und Shan sich über eine Karte der Region und einigten sich auf den Standort des Lagers des Roten Steins, die Straße, an der die Attacke auf Alta verübt worden war, die Schlucht, in der man Kublai gefunden hatte, und das Lamafeld, auf dem Khitai begraben lag. Der junge purba markierte die Stellen durch Stecknadeln und numerierte sie mit einem Bleistift. Eins für Suwan, zwei für Alta, drei für Kublai und vier für Khitai. Dann fuhr er mit der Spitze des Bleistifts ein Stück über der Karte von einer Nadel zur nächsten, als wolle er die Route des Mörders nachzeichnen, um daraus vielleicht ein Muster abzuleiten.
    Noch während er damit beschäftigt war, streckte jemand eine Hand über den Tisch aus. »Fünf«, sagte Fat Mao und steckte eine weitere Nadel am Kopfende eines Tals ein, das rund fünfzehn Kilometer von Yutian entfernt lag. »Kein Mord«, fügte er schnell hinzu, als Shan erschrocken aufblickte. »Jakli und ihre.«, setzte er an. »Jakli und die anderen sind gestern abend zu diesem Tal geritten, weil sich dort angeblich ein Schattenclan mit einem Jungen der zheli aufhalten sollte. Es wurde schon dunkel, da hörten sie ein Schaf schreien, das offenbar große Schmerzen litt.«
    Sie. Fat Mao meinte Jakli und ihre Cousins. Sie hatte sich den Reitern ihres Clans angeschlossen, die nach den Kindern suchten.
    »Sie schauten einen Engpaß hinunter zu einem Wildpfad und entdeckten dort ein Schaf, das sich unter einem Baum an einer Ranke verfangen hatte. So sollte es zumindest aussehen. Ein Stück weiter unten haben sie dann ihre Ferngläser benutzt und erkannt, daß das Tier mit Draht an den Baum gebunden war und blutend am Boden lag.« Fat Mao berührte unterdessen erst eine der Nadeln, dann eine weitere. »Plötzlich kam ein Junge in Sicht, der dem Schaf zu Hilfe eilte. Doch als er das Tier erreichte, sprang ihn ein schwarzgekleideter Mann an. Der Junge wehrte sich. Einer von Jaklis Begleitern hatte ein Gewehr dabei und schoß auf den Angreifer, als der sich für einen Moment aufrichtete. Der Mann wurde getroffen und floh in die Schatten. Einen Augenblick später raste ein schwarzer Geländewagen unter den Bäumen hervor. Der Junge hatte einige Schläge abbekommen, und sein Hemd war am Kragen zerrissen, aber er wurde nicht ernstlich verletzt. Dem Schaf hatte man die Sehnen an den Hinterbeinen durchgeschnitten. Sie mußten es erschießen.«
    »Wer war es?« drängte Jowa.
    Anstatt zu antworten, steckte Fat Mao eine Diskette in das Laufwerk des Computers und betätigte eine Taste. Auf dem Bildschirm erschienen in großen Buchstaben die Worte Volksklinik Yutian. Fat Mao wanderte mit dem Cursor ein Stück nach unten, und eine Liste kürzlich aufgenommener Patienten wurde sichtbar. »Gestern nacht, drei Stunden nach dem Angriff, wurde jemand wegen einer leichten Schußverletzung am Unterarm behandelt.«
    Shan und Jowa beugten sich über den Monitor. Major Bao Kangmei.
    »Ich dachte, sobald wir erst einmal Gewißheit

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