Das Band der Magie
als die des Mar, nur ein kleines bisschen. Aber es hat wohl gereicht, um dem Tod aus dem Weg zu gehen.“
Ich hätte ihn jetzt gerne berührt, ließ aber meine Hände bei mir. Er selbst hielt sich mit beiden Armen umklammert, als müsse er sich zusammenhalten.
„Der Wolf tobt gerade in mir, Aeri. Er kämpft, weil er nicht will, dass unser gemeinsamer Weg vorüber ist. Dein und mein Weg.“
„Ist er denn vorüber?“
Als Keelin nickte, wuchs der Knoten in meiner Brust zu einem luftabdrückenden Gebirge heran und ich stöhnte leise.
„Wenn ich ein Mar bleibe, dann ja.“
Da starrte ich ihn noch genauer an und ich sah es, spürte es, roch es:
Seine Frau sickerte in ihn hinein, die Erinnerungen, die Erlebnisse, die Freude und das Leid. Er erinnerte sich - und mit dieser Erinnerung starb er.
Als er dann eine Hand auf das Grab legte, zitterte er wie ein alter Mann. Die Magie zeigte bereits dunkle Flecken auf seiner ansonsten totenbleichen Hand. Keelin schlug die andere Hand vors Gesicht und senkte den Kopf fast bis auf die Brust.
Da nahm ich ihn in die Arme, einfach so, ohne länger drüber nachzudenken. Er ließ es zu und legte seinen Kopf in die Kuhle zwischen meinem Hals und der Schulter.
„Es ist jetzt zehn Jahre her, Keelin, und du lebst immer noch. Das muss doch was zählen. Der Wolf hat sich von der Magie deiner Frau gelöst. Kannst du das nicht auch?“
Er schüttelte den Kopf.
Ich wurde ganz atemlos, bevor ich die nächste Frage stellte. „Und wenn du dich an jemand anderen binden würdest, der dir wieder Halt gibt?“
Keelin löste sich unfassbar schnell von mir, sprang sogar auf die Füße. In seinen blauen Augen blitzte es, ein wahrer Funkensturm. Er war wütend und verzweifelt zugleich. „Denk nicht einmal daran!“, zischte er mich aufgebracht an.
Ich versuchte, ganz ruhig zu bleiben. „Ich liebe dich!“, sagte ich möglichst deutlich. „Und der Wolf in dir liebt mich auch.“
Keelin starrte mich einfach nur an.
„Ich glaube, wir müssen aufhören, den Wolf und den Mar als zwei Teile zu sehen!“ Jetzt wurde meine Stimme fast flehend. „Du bist Keelin, der Wolf und der Mar. Und wenn du ganz tief in dich hinein horchst, dann weißt du auch, was du für mich empfindest. Bitte, Keelin, versuche es wenigstens. Denk drüber nach!“
Doch Keelin schüttelte vehement den Kopf. „Du und ich, wir werden uns niemals miteinander verbinden können. Ich bin nicht frei, ich gehöre zu meiner Frau. Ich liebe sie.“
„Sie ist tot.“
Es gibt Dinge, die sollte man nicht so hart aussprechen, ich gebe es ja zu. Aber ich war wirklich verzweifelt, denn ich konnte dem Geflecht auf seiner Wange beim Wachsen zusehen.
Keelins Reaktion auf meine harten Worte waren vorhersehbar. Er wandte sich abrupt von mir ab und ging auf die andere Seite des Grabes. Dort hockte er sich hin und legte die Stirn auf die angewinkelten Knie.
Ich starrte ihn von der anderen Seite her an, fest entschlossen, ihn jetzt nicht einfach so aufzugeben.
„Dann sag mir doch zumindest, was jetzt gerade mit dir geschieht“, bat ich mit zitternder Stimme. „Was sind das für Flechten auf deiner Wange?“
Er sah mich aus harten Augen an. „Das ist Todesmagie. So läuft es üblicherweise ab, sobald der Partner gestorben ist. Innerhalb von wenigen Minuten vergiftet sich der Körper selbst, weil die eigene Magie verzweifelt nach der anderen Magie des Partners sucht und sie nicht mehr finden kann. Wir sterben dann an Überlastung –so entsteht Todesmagie.“
Ich konnte nicht anders. Ich sprang auf und schrie ihn an: „Du glaubst doch nicht allen Ernstes, dass ich hier hocke und zusehe, wie du langsam stirbst! Es ist jetzt zehn Jahre her, Keelin! Zehn Jahre! So lange lebst du schon ohne sie!“
„Der Wolf lebte so lange ohne sie. Der Mar in mir hatte sie nur vergessen, aber jetzt erinnere ich mich wieder, meine Magie erinnert sich wieder!“, erwiderte er ebenso hitzig. Doch dann wurde er wieder zum sanften Keelin, als hätte er plötzlich keine Kraft mehr, mit mir zu streiten.
„Hör auf, Aeri. Lass es gut sein. Es tut mir leid, dass ich dir das hier angetan habe, dass ich hierhergekommen bin und dich auch noch mitgeschleppt habe. Ich dachte, ich könnte hier in Alkamir mit mir selbst wieder ins Reine kommen. Aber damals, in der Hütte, wusste ich noch nicht, was da auf mich zukommt. Ich wusste nur, tief in meinem Inneren, dass ich hierher zurückkommen muss. Es tut mir leid.“
Mit diesen Worten kippte er einfach seitlich
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