Das Band der Magie
„Ah!“, sagte er gedehnt. „Du bist die Wilde, die ihm immer Felle bringt.“
Wilde. Immerhin nannte er mich nicht Wesen. Ich nickte knapp.
„Handelst du dann mit mir?“, fragte ich forscher als ich mich fühlte.
Er zuckte mit den Achseln, als sei das nicht wichtig. „Klar!“ Wieder das gedehnte A, das mir jetzt schon auf den Nerv ging. „Aber du musst mit mir hinter den Wagen kommen. Ist nicht gut fürs Geschäft, wenn man sieht, wie wir miteinander Handel treiben.“
Das kam einer krassen Beleidigung schon ziemlich nah, aber mir blieb nichts anderes übrig, als darauf einzugehen. Mit zitternden Knien folgte ich ihm.
Hinter den Wagen war es schummrig und unheimlich. Es roch nach toten Tieren, feuchten Fellen und harter Arbeit. Die Wagen waren als V aufgestellt, um den Wind abzuhalten. Davor türmten sich die Felle auf einem einfachen Holztisch. Der Händler dirigierte mich auf den Bock des linken Wagens und setzte sich neben mich.
Er saß mir zu nah, aber das war nicht mehr zu ändern.
„Zeig mal!“, sagte er.
Ich zog die Felle hervor, eins nach dem anderen. Er befühlte sie, strich darüber und pfiff leise, als ich ihm das Usurpatorenfell zeigte.
„Jarosch hat nicht gelogen, als er sagte, du wärst immer für eine Überraschung gut.“ Er drehte und wand das Fell, strich es glatt und wellte es. „Für alle Felle zusammen: Dreihundert.“
Ich starrte ihn an. Dreihundert! So viel hatte ich noch nie bekommen. „Fünfhundert!“, erwiderte ich aber trotzdem. Ich war nicht dumm. Das erste Angebot nahm man nie an.
Der Händler schnalzte wieder mit der Zunge. „Vierhundert!“
Ich grinste. „Vierhundertfünfzig und wir sind im Geschäft.“
„Quatsch nicht, Mädchen! Vierhundert oder lass es. Du kannst hier mit keinem anderen Geschäfte machen, vergiss das nicht. Vierhundert ist ein ziemlich netter Vorschlag von mir.“
Er hatte recht. Mit allem. Also schlug ich ein. Er zückte das Geld, ich faltete die Felle und wir waren im Geschäft. Ich hatte sogar richtig mit einem Menschen diskutiert, ein richtiges Gespräch geführt! Ich konnte es kaum fassen.
Plötzlich kniff der Händler die Augen zusammen und musterte mich. Mir blieb fast das Herz stehen. Er roch auf einmal anders, immer ein alarmierendes Zeichen.
Er deutete auf mein Gesicht. „Hör mal, Mädchen!“, sagte er wieder gedehnt. Ich wappnete mich innerlich gegen jede Beleidigung. „Ein guter Rat, weil ich gern auch nächstes Jahr Geschäfte mit dir machen will: Schmink dich, du fällst zu sehr auf.“ Er musterte mich. „Wart mal.“
Damit sprang er vom Kutschbock und ließ mich völlig atemlos zurück. Fliehen oder bleiben? Vertrauen oder…
Er nahm mir die Entscheidung ab, indem er wieder um die Ecke kam. In seinen Händen trug er ein Tonfass. „Hier!“, sagte er und hielt es mir hin. „Das ist Schminkerde.“
Als ich nicht reagierte, drückte er mir das Gefäß ungeduldig in die Hände. „Nimm schon. Ist umsonst. Quasi eine Investition in zukünftige Geschäfte.“
Ich beäugte die Pampe im Inneren des Kruges. Um ehrlich zu sein, hatte ich keinen blassen Schimmer, was ich damit machen sollte. So hilflos zu sein war fast schrecklicher, als hätte mich der Mann beschimpft.
Wir starrten einander an.
„Okay!“, sagte er gedehnt. Dann zog er einen Spiegel aus der Hosentasche. „Hab ich mir gedacht, dass du keine Ahnung hast. Hier! Damit du sehen kannst, was du tust.“
Ich zögerte. Spiegel kannte ich, hatte aber seit zehn Jahren keinen mehr benutzt. Aus gutem Grund.
Der Händler hielt ihn mir aber genau vors Gesicht und da … passierte es einfach. Ich sah mich an:
Blickte in meine funkelnden, violetten Augen, die immer ein wenig schmaler wirkten als bei anderen Menschen. Als nächstes fiel mein Blick auf meine Brauen – zwei wilde, noch nie gestutzte Büsche aus braunen Haaren. Dazwischen fing das Drama an. Das war vor zehn Jahren noch nicht da gewesen …
Mir stockte der Atem.
Die wilden Kreise auf meiner Haut waren mehr geworden. Deutlich mehr. Vorher hatten sie sich nur auf meinen Schläfen und den Wangen gekringelt, jetzt bedeckten sie fast mein ganzes Gesicht. Vor zehn Jahren waren sie noch blau gewesen – jetzt waren sie bunt. Schimmerten. Leuchteten.
Ich konnte nicht anders. Ich schrie auf und blickte hastig weg.
Der Händler sah mich ehrlich betroffen an. „Wow. Du hast gar nicht gewusst, wie du aussiehst?“, fragte er.
Ich schüttelte den Kopf.
„Na, dann. Schmink dich endlich und dann
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