Das Band der Wünsche: Roman (German Edition)
das Album mit Honors Fotos, das auf ihrem Schoß lag. »Was ist denn, wenn der Vater nichts davon gewusst hat? Wenn er sein Einverständnis nicht gegeben hat?« Sie umklammerte das Telefon noch fester. »Würde das zählen?«
»Es wäre immer noch sehr schwierig, die Chancen stünden etwa eins zu einer Million – aber wenn das stimmt, würde ich zumindest überlegen, Ihren Fall zu übernehmen. Der Vater müsste natürlich mit von der Partie sein. Außerdem müssten überzeugende Beweise dafür vorliegen, dass es zum Wohle des Kindes wäre, es den Eltern wegzunehmen, die es seit seiner Geburt kennt.«
Bei dem Gedanken, mit Nathan über die Sache reden zu müssen, wurde Tia ganz flau. Der Gedanke, Bobby zu enttäuschen, brachte sie fast zum Weinen. Aber die Wut auf Juliette, die sich hinter ihrem Rücken mit Caroline in Verbindung gesetzt hatte, verlieh ihr Mut.
»Ich melde mich wieder bei Ihnen«, sagte sie.
»Du musst herkommen«, sagte sie. »Heute Abend.«
Sie weigerte sich, Nathan mehr zu sagen. Auf seine Frage hin wiederholte sie nur, was sie schon gesagt hatte, und legte auf. Dann schickte sie eine Mail an Bobby und sagte ihre Verabredung mit ihm ab.
Muss mich heute Abend um alten Job kümmern , schrieb sie. Nichts Dramatisches, keine Sorge. Rufe dich morgen an.
Während sie auf Nathan wartete, lief sie unruhig in ihrer Wohnung herum, schaltete den Fernseher ein und wieder aus, klickte am Computer von einer Website zur nächsten, machte irgendwann sogar gymnastische Übungen, aber nichts konnte sie beruhigen.
Vor ihrer letzten Begegnung mit Nathan hatte sie sich geschminkt und lange überlegt, was sie anziehen sollte. Diesmal schenkte sie sich das Theater. Sollte er ihr den Buckel runterrutschen. Sie hatte sich oft genug für ihn in Schale geworfen und sich Wundercremes ins Gesicht geschmiert. Jetzt hätte sie am liebsten Kriegsbemalung angelegt, sich gezackte rote Streifen auf die Wangen gemalt. Und ihn mit einem hasserfüllten Kriegsschrei empfangen.
Schließlich sprang sie doch unter die Dusche und öffnete die Fenster, um frische Luft hereinzulassen. Anschließend saugte sie den Teppichboden. Tia redete sich ein, das sei alles eine Frage der Selbstachtung. Als könnte ein Hausputz ihre Stimmung heben.
Endlich klingelte es an der Tür.
Sie holte tief Luft und warf einen Blick in den Spiegel neben der Tür. Sie brauchte keinen Lidstrich, ihre Augen funkelten auch so – vor Wut.
Sie öffnete die Tür. Nathan stand schweigend da und rührte sich nicht.
Mehr als alles andere machte es sie wütend, dass sie ihn immer noch begehrte.
»Rate mal, wen ich letzte Woche getroffen habe«, sagte Tia.
»Habe ich den Anfang dieses Gesprächs verpasst?« Nathan machte einen Schritt. »Darf ich reinkommen?«
Am liebsten hätte Tia gesagt: Nein, wir können uns genauso gut hier an der Tür unterhalten .
Sie machte Platz, und er betrat den Flur.
»Soll ich nicht lieber ganz reinkommen?«, fragte Nathan und zeigte auf das Wohnzimmer.
»Wir können uns in die Küche setzen.« Sie ging voraus, und er folgte ihr.
Er setzte sich an den Tisch.
»Willst du was trinken?« Tia schlug einen forschen Ton an, entschlossen, sich keine Blöße zu geben.
»Was hast du denn?«, fragte er.
»Was ich habe, ist das Gefühl, dass alle mit mir spielen, du und deine Frau eingeschlossen. Sie will Honor kennenlernen. Du willst Honor kennenlernen. Und ich soll euch auch noch dabei helfen.«
Nathan hob die Hände, als wollte er verhindern, dass sie näher kam. »Mein lieber Schwan! Kann ich einen Drink haben? Oder wenigstens ein Glas Wasser?«
Tia öffnete den Kühlschrank, nahm eine Flasche Bier heraus und knallte sie auf den Tisch. Dann schenkte sie sich ein Glas Whiskey ein.
»Was ist eigentlich los?« Nathan wirkte nervös.
Tia nahm einen großen Schluck. »Caroline, die Frau, die Honor adoptiert hat, ist zu mir gekommen. Und rat mal, wer sie geschickt hat?«
»Mein Gott«, sagte Nathan.
»Ganz genau. Offenbar interessiert deine Frau sich intensiv für mein Kind. Kannst du mir vielleicht erklären, warum?«
»Was hat diese Caroline gesagt?«
»›Diese Caroline‹? So nennst du sie? Diese Caroline ist die Frau, die dein Kind großzieht.«
Nathan senkte den Blick. Mit zusammengepressten Lippen fuhr er mit der Fußspitze das Kreismuster auf dem Linoleumboden nach.
»Was ist?«, fragte Tia. »Was bringst du nicht über die Lippen?«
»›Mein Kind.‹ Juliette sagt es, du sagst es, aber ich empfinde es nicht. Meine
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