Das Band der Wünsche: Roman (German Edition)
habe mich an einen Anwalt gewandt.« Tia holte tief Luft. »Und ihn gebeten, sich wegen der Adoption schlauzumachen.«
»Inwiefern schlaumachen?«
»Vielleicht war die Entscheidung ein Fehler. Vielleicht wäre Honor bei mir besser aufgehoben.«
»Das ist ein sehr großer Fehler.«
»Für dich ist anscheinend alles, was ich tue, ein Fehler. Ich glaube, meine Mutter wäre stolz auf mich.« Sie wünschte, sie könnte das Gesicht ihrer Freundin sehen. »Da bin ich mir ganz sicher.«
28. Kapitel – Juliette
Als das Wochenende unaufhaltsam näher rückte, hatte Juliette sich so einsam gefühlt, dass sie sich entschlossen hatte, mit den Kindern nach Rhinebeck zu fahren, obwohl sie schon in wenigen Wochen, wie jedes Jahr, zum Memorial-Day-Wochenende dort sein würden. Aber der Gedanke, schon wieder zu dritt allein im Haus zu hocken, war ihr unerträglich.
Die Jungs beobachteten sie, als wäre sie eine chemische Mixtur, die sich jeden Augenblick in Luft auflösen konnte, und sahen stumm und wie versteinert zu, wie sie den Tisch deckte. Oder aber sie ließen ihren pubertären Launen freien Lauf.
In der vergangenen Woche war Max ausgerastet, als sie zu spät zum Baseballtraining gekommen waren. »Dad hätte uns pünktlich hergebracht!«, hatte er gebrüllt und war dann wütend davongestapft. Drei Tage später hatte sie gehört, wie Lucas Max als Arschloch beschimpft hatte, weil er sich auf Nathans Seite stellte.
Nathans Seite? Das Schlimmste war, dass sie vor lauter Erschöpfung nicht einmal darauf reagiert hatte.
Sie bog vom Massachusetts Pike ab auf den Taconic State Parkway, eine Straße, auf der man immer mit Wildwechsel rechnen musste. Sie hielt das Steuer fest umklammert. Auto zu fahren und gleichzeitig nach Hirschen Ausschau zu halten, war sie ebenso wenig gewohnt, wie gleichzeitig Mutter und Vater zu sein.
Nathan und die Kinder sahen sich oft, und das war gut für die Jungs, aber sie litt jedes Mal, wenn er sie abholte. Dass er keinen Hausschlüssel mehr hatte und klingeln musste, lag ihr schwer auf dem Magen. Dann schlurfte Max zum Auto, die Haare mit größter Sorgfalt gescheitelt, während Lucas von Woche zu Woche schlampiger herumlief.
Wenn sie Nathan begegnete, suchte sie in seinem Gesicht krampfhaft nach Zeichen, die ihr sagen könnten, was sie tun sollte.
Hatte er sich mit ihr getroffen?
Liebte er sie ?
Falls er und diese Frau sich zusammentaten, würden sie dann Savannah zurückholen und eine kleine Familie gründen?
Nicht dass Juliette glaubte, dass das funktionieren würde. Ein Kind zu adoptieren, war schließlich nicht dasselbe, wie sich ein Schneemobil auszuleihen. Verzeihen Sie, wir bräuchten es jetzt selber wieder.
»Mom, sind wir bald da?«, quengelte Max.
»Du siehst doch, dass wir noch auf dem Taconic sind, oder?«
»Werd doch nicht gleich aggressiv«, sagte Lucas.
Seit Nathan ausgezogen war, versuchte Lucas, die Vaterrolle zu übernehmen, und hatte sich zu ihrem Richter und Gewissen aufgeschwungen. Sie warf einen Blick in den Rückspiegel. Lucas hatte gerade wieder besonders viele Pickel im Gesicht. Und Max’ Haare waren so kurz, dass er aussah wie ein Kriegsopfer. Sein letzter Besuch beim Friseur war eine Katastrophe gewesen.
Sie schüttelte den Kopf über ihren hyperkritischen Blick. Sie fühlte sich immer ganz elend, wenn ihr bewusst wurde, dass sie sich aufführte wie ihre Mutter.
»Wollen wir heute Abend auf den Jahrmarkt gehen? Was haltet ihr davon?« Es tat ihr so leid, dass sie in letzter Zeit ständig niedergeschlagen und gereizt war, und sie wollte es wiedergutmachen. »Wir sind ungefähr um drei in Rhinebeck.«
»Soll das ein Witz sein? Glaubst du etwa, ich hab Lust, Schafe zu streicheln?«, sagte Lucas.
»Ich will aber hingehen«, sagte Max.
»Dann geh doch, du Saftsack.«
»Reiß dich zusammen, Lucas«, sagte Juliette. »Wir gehen entweder alle oder gar nicht.«
»Wir alle? Wir alle drei ?« Lucas’ verächtlicher Ton brachte sie um. Wenn sie nicht aufpasste, würde sie noch vor lauter schlechtem Gewissen in den Straßengraben fahren.
»Vielleicht haben Grandpa und Mamie ja Lust, mitzugehen.« Juliette lenkte mit einer Hand und streckte die andere nach hinten aus. »M&M’s bitte.«
»Genau, Mamie ist bestimmt ganz wild darauf mitzugehen.« Lucas stemmte seine Füße so fest gegen ihre Rückenlehne, dass sie seine Fußspitzen spürte.
»Max?« Juliette wedelte ungeduldig mit der Hand und schaute noch einmal in den Rückspiegel. Max nahm die riesige Tüte
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