Das Band der Wünsche: Roman (German Edition)
nie versucht herauszufinden, was aus Tias Schwangerschaft geworden war. Sein Leben hatte sich nur noch darum gedreht, Juliettes Vergebung zu erwirken. Er war zu der Überzeugung gelangt, dass seine erneute Hinwendung zu Juliette und den Jungen ihn zu einem guten und treuen Ehemann und zu einem untadeligen Vater machte. Die Vergangenheit hatte sich in Luft aufgelöst. Abrakadabra: Seine guten Taten hatten seine Affäre ungeschehen gemacht.
Sicher, man konnte das Verdrängung nennen, aber so funktionierte er nun mal. Seine Fähigkeit, rational zu denken, Lösungen zu finden – sich davon zu überzeugen, dass er ein anständiger Mann war –, kam ihm jetzt vor wie die Fähigkeit, Wahnideen zu produzieren.
Juliette ritt immer und immer wieder auf der Frage nach dem Warum herum, die sie viel mehr zu beschäftigen schien als die Tatsache, dass es passiert war. Sie suchte nach einem Grund, der es ihr ermöglichte, seine Untreue in ein Muster einzufügen, das sie verstand und das ihr helfen würde zu verhindern, dass es noch einmal passierte. Als könnte sie ihn, wenn sie die Wahrheit kannte, davon abhalten, wieder fremdzugehen.
Warum zum Teufel war er ihr untreu gewesen? Die Wahrheit ließ ihn dastehen wie der letzte Dreck. Wenn er seine Besessenheit eingestand, sein Bedürfnis, sich mit den Augen einer verliebten Frau zu sehen, dann würde er dastehen wie … wie der Mann, der er gewesen war.
Juliette war immer gut im Bett gewesen. Keiner Frau hatte er sich je näher gefühlt, mit keiner war er so vertraut gewesen, auch wenn es vielleicht einige gegeben hatte, auf die er mehr abgefahren war, aber das war etwa so, wie man hin und wieder Lust auf Wasabi hatte, um den Gaumen zu kitzeln.
Vom Gaumenkitzel war nichts geblieben. Mit Tia ins Bett zu gehen, war eine große Dummheit gewesen. Hatte er tatsächlich geglaubt, er könnte ungestraft davonkommen?
Er hatte gelernt, ohne den Kitzel zu leben, aber jetzt riss ihm die Vergangenheit den Boden unter den Füßen weg.
Caroline und Peter Fitzgerald standen in der Tür, das Kind zwischen sich, je einen Arm schützend um seine Schultern gelegt. Aus Angst, das Mädchen anzusehen, betrachtete er zuerst die Eltern.
Tia drängte sich näher an ihn, aber er wich ihr aus.
Caroline Fitzgeralds Miene war neutral, nichtssagend. Sie wirkte drahtig, gesund, arglos.
An Peter Fitzgeralds Gesichtsausdruck dagegen war nichts neutral. Er presste die Lippen fest zusammen, vielleicht um zu verhindern, dass ihm die falschen Worte herausrutschten. So wie der Mann sie ansah, würde er sie wahrscheinlich am liebsten auffordern zu verschwinden. Nathan war größer und kräftiger gebaut als Peter, in einem Faustkampf wäre er ihm sicherlich überlegen. Aber da konnte er sich natürlich auch irren. Peter war zwar eher schmächtig, aber er hatte etwas an sich, das darauf schließen ließ, dass er als Jugendlicher seine Erfahrungen auf der Straße gemacht hatte und sich mit schmutzigen Tricks auskannte. Sollten sie sich wegen der Kleinen prügeln, konnte Nathan allerdings für nichts garantieren.
Nathan betrachtete das kleine Mädchen.
Seine Tochter.
Die Worte waren nahezu bedeutungslos, aber der Anblick der Kleinen haute ihn um.
Sie war mehr als reizend. Rosige Wangen. Haar so schwarz, dass er sie Schneewittchen nennen würde, wenn sie seine Tochter wäre. Seine Prinzessin. Er lächelte. Sie begegnete seinem Blick mit argwöhnischen Augen. Sie nahm die Hand ihres Adoptivvaters. Peter beugte sich zu ihr hinunter. »Es ist alles gut, mein Schatz«, sagte er.
»Gehen wir doch hinein«, schlug Caroline vor.
Tia und Nathan folgten der Familie ins Haus. Savannah klammerte sich an die Hände ihrer Eltern, als sie die große, weiß geflieste Diele durchquerten. Während bei Nathan zu Hause Holz, bunte Kissen und warme Farbtöne vorherrschten, war die Einrichtung hier geprägt von Edelstahl und Glas. Das Sonnenlicht wurde von den auf Hochglanz lackierten Möbeln reflektiert und ließ alles unangenehm grell erscheinen. Tia sah müde aus, Peter gereizt, Caroline angespannt und Savannah … Das arme Kind wirkte verwirrt und verängstigt.
»Wollen wir die Plätzchen holen, die wir gebacken haben?«, fragte Peter Savannah.
Die Kleine nickte kaum merklich. »Okay.«
Als Nathan ihre Stimme zum ersten Mal hörte, bekam er weiche Knie. Sie klang so zart, die Stimme eines kleinen Mädchens. Seine inneren Konflikte hatten Savannah zu einem großen, bedrohlichen Etwas anwachsen lassen, aber ihre zarte
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