Das Band der Wünsche: Roman (German Edition)
betete, dass ein Orgasmus oder Tränen ihr Erleichterung verschaffen würden. Dass irgendetwas sie von dem Wissen befreien würde, das sie nicht ertrug.
Juliette schob Nathans Hand weg. Die Berührung war zu intim. Er glaubte, sie sei bereit, und legte sich auf sie. Das konnte sie aushalten, sein Gewicht, dass er ohne Zärtlichkeit in sie eindrang.
Nach all den Jahren kannte Nathan sie zu gut, und er schaffte es, sie gegen ihren Willen zum Orgasmus zu bringen. Sie fühlte sich regelrecht verraten von ihrem eigenen Körper.
Er stützte sich auf die Arme, schwor ihr stöhnend seine Liebe, als er kam. Dann ließ er sich auf sie sinken und drückte seine warmen Lippen auf ihr Schlüsselbein.
Ein Bild von Savannah tauchte vor Juliette auf. Die volle Unterlippe und die hübsch geschwungene Oberlippe. Die ein ganz klein wenig zu breite Nase. Die Augen, die so groß und so dunkel waren, dass die Schwärze fast blau wirkte. Das ernste Gesicht in die Patschhändchen gestützt.
8. Kapitel – Caroline
Caroline ging ins Kinderzimmer und zog die Vorhänge auf. Savannah hatte einen so gesunden Schlaf, dass sie sie jeden Morgen wecken mussten. Sie konnten nichts unnatürlich daran finden, dass eine Fünfjährige morgens nicht aus dem Bett hüpfte, sondern wartete, bis ihre Eltern sie aus ihren Träumen holten. Das Klappern der Vorhangringe zeitigte keine Reaktion bei dem Kind, das auf dem Bauch lag. Selbst im Schlaf wirkte ihr Gesicht ernst. Manchmal dachte Caroline, Savannah hätte auf wundersame Weise ihre schlimmsten Eigenschaften geerbt. Caroline kam auch morgens schlecht aus dem Bett. Und ebenso wie Caroline war Savannah angespannt, perfektionistisch, eine Beobachterin. Caroline hatte ihr den Namen Savannah gegeben in Erinnerung an die Stadt, in der Peter und sie ihre Flitterwochen verbracht hatten, und in der Hoffnung, der Name werde ihre Tochter geistreich und romantisch – vielleicht sogar wagemutig – machen, Eigenschaften, von denen Caroline glaubte, dass sie ihr selbst fehlten.
Savannah rührte sich, als Caroline sich auf die Bettkante setzte, und streckte sich ihrer Mutter entgegen, die ihr ein Fingerbild auf den Rücken malte.
»Eiswaffel«, murmelte Savannah.
»Nein«, sagte Caroline.
Savannah drehte sich zu Caroline um und öffnete die Augen. »Nochmal. Auf der Haut, Mommy.«
Caroline schob Savannahs Schlafanzugjacke hoch, die noch ganz warm war. Sanft malte sie dreimal hintereinander mit der Fingerspitze ein großes M auf den Rücken ihrer Tochter.
» M wie Mommy«, sagte Savannah.
»Richtig«, sagte Caroline.
Savannah drehte sich auf den Rücken und blinzelte. »Wirklich?«
»Wirklich. Jetzt lauf ins Bad, und dann suchen wir dir was zum Anziehen aus.« Savannahs angespanntes Misstrauen machte Caroline Sorgen; sie fragte sich, woher sie das haben mochte.
Als Savannah aus dem Bad kam, war ihr Gesicht rosig, und ihr Atem roch nach Zahnpasta. Sie mochte es, sich morgens als Erstes zu waschen. Sie hatte einen natürlichen Ordnungssinn, den Caroline liebenswert fand.
Dann überlegten sie gemeinsam, was Savannah anziehen sollte. Savannah würde wohl wie jeden Tag einen kleineren Ausflug mit ihrer Kinderfrau machen. Wohin, das entschied Rose jeweils spontan – mal gingen sie in die Bibliothek, mal auf den Spielplatz, manchmal blieben sie auch zu Hause und spielten im Garten –, trotzdem waren Mutter und Tochter jeden Morgen mit vollem Ernst bei der Sache, wenn sie den Tag in Angriff nahmen, so als müsste Savannah pünktlich auf einer wichtigen Kinderarbeitsstelle erscheinen. Manchmal bereitete es Caroline ein schlechtes Gewissen, dass sie Savannah nicht in den Kindergarten schickte, aber eine Kinderfrau zu haben, die zu ihnen ins Haus kam, machte ihr das Leben um einiges leichter. Auf diese Weise erkaufte sie sich noch ein paar Jahre Freiheit, ehe die Schulpflicht ihr einen anderen Rhythmus aufzwang. Da Savannah im März geboren war, würde sie allerdings mit fünf die Vorschule anfangen.
Na ja, sie sollte sich nichts vormachen. Ballettstunden, Schwimm unterricht, Musikschule – Rose ließ sich alles Mögliche einfallen und kutschierte Savannah von Hü nach Hott – konnten kein Ersatz sein für die Erfahrungen, die ihre Tochter in einem Kindergarten machen würde. Dessen war sich Caroline durchaus bewusst, aber sie redete sich ein, dass es ausreichte, wenn Savannah ein- oder zweimal pro Woche mit anderen Kindern zusammenkam. Sie hatte also ein ruhiges Gewissen – außer an den Tagen, an denen sie
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