Das Band der Wünsche: Roman (German Edition)
seelenloser Sex gewesen. Sie hatte geglaubt, was ihre Nachforschungen ergeben hatten. Er war ein triebgesteuerter Idiot. Sie hatte geglaubt, sie hätte ihm verziehen.
Jetzt fürchtete sie, dass ihre Wut nur in ihr geschlummert hatte. Das Schlimmste an ihrer ganzen Auseinandersetzung war für sie gewesen, dass sie Nathan gehasst hatte. In Wirklichkeit dachte sie, dass sie ihn einfach zu sehr liebte.
Juliette nahm den Fuß vom Gas, als die Ampel vor ihr auf Rot sprang. Sie war viel zu schnell gefahren. Der Verkehr auf der Route 9, die durch ein Gewerbegebiet und dann wieder an Alleenbäumen vorbeiführte, wurde immer dichter, je mehr sie sich der Stadt näherte.
Zu ihrer Rechten sah sie bereits die Atrium Mall. Gwynne und Juliette hatten zunächst in Erwägung gezogen, einen Laden in dem exklusiven Einkaufszentrum zu mieten, waren dann jedoch zu dem Schluss gekommen, dass es günstiger war, einen zentra-ler gelegenen Ort zu wählen, an dem sie mehr Laufkundschaft haben würden.
Ohne den Blick von der Straße abzuwenden, kramte Juliette in ihrer Handtasche, die sie auf dem Beifahrersitz abgestellt hatte, bis sie die kleine Tüte M&M’s fühlte, die sie aus dem häuslichen Süßigkeitenversteck genommen hatte. Jedes Jahr an Halloween kaufte sie so viele Minipackungen M&M’s, dass sie bis zum darauffolgenden Oktober reichten. Wenn sie große Tüten kaufte, würde sie sich jedes Jahr eine neue Garderobe zulegen müssen – und zwar eine Nummer größer.
Mit einundvierzig Jahren geheime M&M-Depots anzulegen war wirklich lächerlich. Als wäre sie immer noch das kleine Kind, das Süßigkeiten an seiner Mutter vorbei ins Haus schmuggelte und ganz hinten in seiner Kommodenschublade versteckte.
Seit der Brief vor zwei Tagen eingetroffen war, vermied Juliette es nach Kräften, mit Nathan allein zu sein. Sie redete so wenig wie möglich mit ihm und schob als Grund dafür Probleme im Geschäft und PMS vor, beides Ausreden, die ihr viel Verständnis garantierten. Ihre Arbeit interessierte ihn nicht, auch wenn er so tat, als wäre das Gegenteil der Fall, und wie alle Männer schreckte er vor allem zurück, was mit ihrer Regel zu tun hatte.
Alles herunterschlucken zu müssen, was ihr auf der Zunge lag, machte fast jedes Gespräch unmöglich. Um zu verhindern, dass ihr ein falsches Wort herausrutschte, stopfte sie sich buchstäblich den Mund voll: am vergangenen Nachmittag waren es die Brownies, die sie gebacken hatte, und am Abend die Lasagne-Reste vom Donnerstag, mit so viel Hackfleisch und Mozzarella, dass sie, als sie sah, wie Nathan sich darüber hermachte, einen Augenblick lang fürchtete, er würde von einer Überdosis Cholesterin einen Herzinfarkt bekommen.
Am Morgen beim Frühstück hatte Juliette vier Scheiben Toastbrot in sich hineingestopft und anschließend die Reste von den Tellern der Kinder gegessen. Ihre Kleider saßen jetzt schon verdammt eng, und das konnte sie sich überhaupt nicht leisten.
Nach dem Frühstück hatte sie erst den Herd geschrubbt und dann die Anrichte, bis der Granit quietschte.
Wie erbärmlich, ihre Wut an den Küchengeräten auszulassen.
Die Küche.
Der Schießplatz der Frau.
Scheuermilch.
Die Munition der Frau.
Die inzwischen ganz verschmierten und zerknitterten Fotos von Savannah ließen ihr keine Ruhe. Immer wieder nahm sie sie aus ihrer Handtasche, rieb sie wie einen juckenden Hautausschlag. Vielleicht hoffte sie, sie würden sich irgendwann in Wohlgefallen auflösen, dann wäre Max nicht länger das mittlere von drei Geschwistern.
Sie warf einen Blick in den Rückspiegel. An ihrem Kinn spross ein Haar, das eines Methusalem würdig gewesen wäre. Ein weiteres Indiz dafür, dass das Ende ihrer attraktiven Jahre nicht mehr weit war. Früher hatte sie sich auf ihre Attraktivität verlassen können, inzwischen musste sie jedes Schönheitsprodukt zum Einsatz bringen, das sie entwickelt hatte. Mit Daumen und Zeigefinger versuchte sie, sich das Haar auszureißen, was natürlich zwecklos war und höchstens dazu führen würde, dass sie einen Unfall baute.
Juliette rückte ihre riesige Sonnenbrille zurecht und zog sich Max’ Baseballmütze tiefer in die Stirn. Von Lucas hatte sie sich eine ausgebeulte Trainingshose und eine alte Jeansjacke ausgeliehen.
Sie schaltete das Radio aus und bog vom Arborway ab. Über die Morton Street fuhr sie zu Tias Arbeitsplatz, auch wenn sie keine Ahnung hatte, was sie dort wollte, außer dass sie wünschte, Tia hätte fünfzig Kilo zugenommen und
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