Das Band der Wünsche: Roman (German Edition)
von H&M. Sie war ungeschminkt bis auf das schwarze Kajal, das ihre Augen umrahmte. Abgetretene Clogs vervollständigten ihren Lotter-Look.
Sie war immer noch schön.
Das Abendessen hätte eigentlich wie Asche schmecken müssen, aber Nathan und die Jungs hatten sich begeistert über die in Butter schwimmenden Nudeln, das Gulasch und die Möhren hergemacht, die so zart waren, dass man hätte meinen können, sie wären mit Liebe gekocht.
Jetzt, um halb zwölf, schliefen Lucas und Max. Juliette scheuerte den Küchenboden, als wollte sie die Versiegelung von den Dielen abschleifen. Nathan hatte sich vor drei Stunden in sein Arbeitszimmer verkrochen.
Schließlich stellte Juliette den Schrubber weg und ging ins Schlafzimmer. Sie setzte sich, ein Kissen im Rücken, aufs Bett und studierte den letzten Quartalsabschluss von juliette&gwynne. Buchhaltung langweilte sie zu Tode. Für das Kaufmännische war eigentlich Gwynne verantwortlich, und Juliette hätte ihr diesen Bereich liebend gern blind überlassen. Aber Nathans Vater hatte ihr eingeschärft, wie wichtig es war, den Überblick zu behalten, und sie hatte ihm versprochen, dass sie das tun würde.
»Denk an Bernie Madoff«, hatte ihr Schwiegervater gesagt, als hätte Gwynne nichts Besseres zu tun, als nachts heimlich Rechnungen zu fälschen. Am liebsten hätte Juliette nichts darauf gegeben, aber ihr Schwiegervater war ihr gegenüber immer so fürsorglich, und sie brachte es nicht übers Herz, ein Versprechen zu brechen, das sie ihm gegeben hatte. Jedes Mal, wenn er sie »Sweetheart« nannte, so rührend falsch betont, weil die Sorge seinen Akzent durchkommen ließ, fühlte Juliette sich beschützt und geliebt.
Nathan kam mit einem Korb voll gebügelter Bettwäsche ins Schlafzimmer. Juliette ließ ihre Unterlagen sinken und sah ihn über ihre Brille hinweg an. Er wirkte bedrückt. Nathan hatte ein feines Gespür für Missstimmungen und machte sich im Haushalt nützlich, wenn er merkte, dass Spannungen in der Luft lagen.
»Der stand neben der Treppe«, sagte er und stellte den Korb auf der Bank am Fußende des Betts ab. »Wo sollen die Sachen hin?«
Juliette musste sich beherrschen, um ihre Unterlagen nicht zu zerknüllen. »Lass sie einfach im Korb.«
»Alles in Ordnung?« Er setzte sich auf die Bettkante, sodass sie gezwungen war, ein Stück zur Seite zu rücken. »Was ist los? Du bist schon seit Tagen so komisch.«
»Mir geht’s gut.«
Nathan streichelte ihren Arm. »Du wirkst aber gar nicht so.«
In Sweatshirt und Jeans sah er aus wie Lucas. Juliette betrachtete ihren nackten Oberschenkel, den das kurze Nachthemd freigab. Sommersprossen hatten sich in Altersflecken verwandelt. »Ich hab einfach Stress in der Arbeit«, sagte sie. »Sonst nichts.«
Er nahm Juliette die Lesebrille ab, eine in sechzehn Ehejahren vertraut gewordene Geste. Er legte einen Finger auf ihre Nasenwurzel und massierte die Stelle, wo die Brille einen Abdruck hinterlassen hatte. Ein fürsorglicher Ehemann, wie er im Buche stand.
Unausgesprochene Worte schnürten Juliette die Kehle zu, und sie umklammerte die Abrechnung über die verkauften Sonnenschutzmittel so krampfhaft, dass das Blatt einen Riss bekam.
»Mein lieber Schwan! Du bist aber mehr als nur ein bisschen angespannt. Läuft das Geschäft?« Er streckte eine Hand nach der Abrechnung aus, als wollte er nachsehen. Juliette zog das Blatt weg und drückte es sich an die Brust, sodass er nichts lesen konnte.
»Alles in Ordnung«, sagte sie.
»Aber was ist denn los?«
Sie schüttelte den Kopf. »Nichts. Wirklich. Bin einfach schlecht drauf.«
»Du Arme.« Ohne noch etwas dazu zu sagen, zog er sich aus, legte sich ins Bett und begann, ihr den Rücken zu streicheln.
Am liebsten wäre Juliette aufgesprungen und in die Küche gerannt – wo sie sich mit kalten Nudeln und Gulasch vollstopfen und sich mit lauwarmem Bier betrinken würde, um ihre Gefühle zu betäuben –, aber sie blieb reglos liegen und ertrug es, dass er ihre verspannten Muskeln massierte. Wortlos ließ sie ihn gewähren.
Sie drehte sich auf den Bauch. Große, warme Hände, die einmal Tias Hüften, Tias Brüste, Tias flachen Bauch und Tias Oberschenkel liebkost hatten, schoben ihr das Nachthemd hoch und streichelten ihr den Rücken.
Ihr Körper war wie taub. Genauso gut hätte Nathan sie durch mehrere Lagen Decken streicheln können. Er liebkoste ihre Schulterblätter.
Er drängte sie, sich umzudrehen. Juliette starrte an die Decke.
Sie kniff die Augen zu und
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