Das Band der Wünsche: Roman (German Edition)
nickte Caroline aufmunternd zu.
»Ja, da bin ich schon«, sagte Caroline, bereit, Umarmungen und Küsse zu verteilen. »Kinderfrau Caroline zu euren Diensten.«
»Nein«, tadelte Savannah. »Du musst sagen: ›Ich hab euch lieb, ihr zwei.‹«
»Ich hab euch lieb, ihr zwei«, wiederholte Caroline.
Savannah zog den Puppenwagen in das große Wohnzimmer und setzte sich auf die breite, mit Kissen gepolsterte Fensterbank. »Aber Mommy hat euch viel lieber.« Sie drohte den Puppen mit dem Zeigefinger. Dann richtete sie mit energischen Handgriffen die Decke und zog sie den Puppen bis unter die Nase.
Reifen quietschten. Caroline schaute aus dem Fenster und atmete erleichtert auf, als sie sah, wie Rose in die Einfahrt einbog. Wie vereinbart parkte sie ihren Wagen ganz am Rand, um Caroline eine schnelle Flucht zu ermöglichen.
Den Vormittag verbrachte Caroline damit, Befunde zu schreiben. Als ihre Sekretärin ihr nach ein paar Stunden einen Behälter mit Spinat-Orangen-Salat vorsetzte, zwang sie sich, den Stift wegzulegen. »Danke, Ana«, sagte sie, woraufhin Ana eine dicke McDonald’s-Tüte hochhielt und entgegnete: »Vielleicht hätten Sie es lieber, wenn ich Ihnen so was mitgebracht hätte.«
Caroline musste grinsen. Die junge Frau war effizient, verantwortungsbewusst und immer pünktlich, deshalb ließ sie ihr die nervtötende Angewohnheit durchgehen, ihre Chefin mit kleinen Scherzen aufheitern zu wollen. Ihr halbes Leben lang war Caroline ermahnt worden, ein glücklich lächelndes Gesicht aufzusetzen, sodass sie auf derartige Versuche nur noch allergisch reagierte.
Ihr Büro glich einem gut aufgeräumten Käfig. Sie legte großen Wert auf Einfachheit und Übersichtlichkeit in dem kleinen Raum, vor allem bei der Menge an Papierkram, den sie zu bewältigen hatte. Viele ihrer Kollegen versanken regelmäßig im Chaos der unzähligen Formulare und Akten. Nicht so Caroline. Seit ihrem ersten Arbeitstag vor vier Jahren hatte sie alles streng organisiert.
Im rechten Winkel zu ihrem Schreibtisch stand ihr Mikroskopiertisch, den sie stets freihielt, um jederzeit Platz für Objektträger zu haben. Sie hatte ihren Computerbildschirm in die linke Ecke ihres Schreibtischs geschoben, um Platz zu schaffen für drei Aktenstapel. Auf jedem Stapel lag ein Briefbeschwerer aus Holz mit der jeweils eingebrannten Aufschrift »Dringend« , »Diese Woche« , »Langfristig« .
Peter hatte diese Beschwerer zusammen mit seinem Vater gebastelt, der sich als Hobby-Tischler betätigte, und aus unerklärlichen Gründen hing sie an den Dingern.
Caroline blätterte in ihren Befunden, während sie auf eine Probe einer Rektalbiopsie von einem Kleinkind wartete, damit sie eine Diagnose abgeben konnte, ob es sich um eine Darmabnormalität handelte. Sie fürchtete, es mit Morbus Hirschsprung zu tun zu haben, einer Krankheit, die, wenn man sie nicht rechtzeitig behandelte, zu einem Darmverschluss führen konnte.
Es gab kaum etwas in ihrem Beruf, das sie nicht interessant fand. Zurzeit war sie an einer Langzeitstudie zu den Erfolgsaussichten der Protonentherapie beim Retinoblastom beteiligt. Das Spannende daran war natürlich die Möglichkeit, dass sie ein Heilmittel gegen diesen schrecklichen Augentumor bei Kindern fanden, aber die Hoffnung und die Angst lieferten sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen.
Caroline hatte sich unter anderem für die Pathologie und gegen die Chirurgie entschieden, weil es sie davor bewahrte, Eltern schreckliche Nachrichten verkünden zu müssen. Falls die Biopsie ergab, dass es sich um Morbus Hirschsprung handelte – und die Symptome des Kleinkindes deuteten darauf hin –, war es Aufgabe des Chirurgen, den Eltern mitzuteilen, dass man ihrer Tochter wahrscheinlich einen künstlichen Darmausgang würde legen müssen.
Sie warf einen Blick auf die Wanduhr. Um vier musste sie eine Vorlesung halten. Vorher musste sie noch die Gewebeprobe eines Patienten mit Verdacht auf ein Neuroblastom analysieren. Abgabetermine von Zuschussanträgen mussten eingehalten werden. Während sie den Rest ihres Salats aß, überflog sie eine E-Mail von jemandem vom National Institute of Health.
Die Beschäftigung mit all diesen Dingen erfüllte sie stets mit einer gewissen Aufregung, die ihr angenehm war. Wenn ihr die Beschäftigung mit ihrer Tochter doch nur ebenso viel Freude machen würde.
»Caroline?« Ana streckte den Kopf zur Tür herein. »Ihre Kinderfrau hat zwei Nachrichten hinterlassen, während Sie in der Besprechung waren. Sie bittet um
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