Das Band der Wünsche: Roman (German Edition)
wieder einen Migräneanfall. Normalerweise war Peter derjenige, der nach Hause kam, wenn es brannte. Er hatte den kürzeren Weg. Und wenn er sich mal freinahm, verärgerte er höchstens den einen oder anderen Kunden; er gefährdete nicht das Leben eines Patienten. Natürlich war Peters Arbeit nicht unwichtig, aber in Carolines Augen war sie zumindest nicht so wichtig wie ihre. Allerdings ließ er sie nie vergessen, dass er wesentlich mehr verdiente. Von Peters Geld konnten sie sich den ganzen Luxus leisten. Biologisch angebaute Kirschen! Wildlachs aus Norwegen, teures Kinderspielzeug! Peter zog sie gern damit auf, dass er ihre Arbeit sponsorte. Trotzdem konnte er im Notfall schneller zu Hause sein als sie.
»Daddy steht im Stau«, sagte Savannah. »Kann ich auf deinen Schoß?«
Caroline stellte ihre Aktentasche ab und setzte sich aufs Sofa. Nachdem sie Savannah auf ihren Schoß gezogen hatte, schaute sie Janine an in der Hoffnung, Genaueres in Erfahrung zu bringen. Savannah kuschelte sich an sie. Da Rose früher gegangen war, hatte Savannah nach dem Abendessen nicht gebadet. Und genau genommen kein ordentliches Abendessen bekommen. Säuerlicher Kindergeruch stieg Caroline in die Nase.
»Ich bin erst mit dem Zug gefahren und hab mir dann ein Taxi genommen. Das war ’ne ziemlich lange Taxifahrt.« Janine streckte eine Hand aus, als hätte Caroline das Geld, das sie für die Fahrtkosten ausgelegt hatte, abgezählt in der Handtasche. »Mr. Fitzgerald hat gesagt, er bezahlt von dem Moment an, wo ich aus dem Haus gehe, bis Sie hier eintreffen. Das sind vier Stunden. Macht achtzig Dollar. Außerdem müssen Sie mich noch nach Hause bringen, und die Zeit müssen Sie mir auch noch bezahlen. Das macht dann ungefähr hundert Doller, oder vielleicht auch ein bisschen mehr.«
Caroline dröhnte der Schädel.
»Mommy, kannst du mir jetzt was Richtiges zu essen machen?«
»Fahren Sie mich, oder rufen Sie mir ein Taxi? Um wie viel Uhr fährt der Zug?«
»Können wir jetzt die Puppen baden?«
»Mr. Fitzgerald hat gesagt, falls es so spät wird, dass es schon dunkel ist, würde mich einer von Ihnen nach Hause fahren. Meine Mutter hat es nicht gern, wenn ich im Dunkeln allein unterwegs bin.«
»Hast du heute ein Kind gesund gemacht, Mommy?«
»Vielleicht ist es das Einfachste, wenn Sie mich nach Hause fahren.«
Caroline fühlte sich, als hätte ihr jemand den Mund zugeleimt. Am liebsten würde sie jetzt in einer Badewanne liegen, reglos wie eine Leiche, einen warmen, feuchten Waschlappen über den Augen.
Die Haustür ging auf. Savannah sprang von Carolines Schoß und rannte Peter entgegen. Er kniete sich hin, nahm sie in die Arme und drückte sie liebevoll an sich. Peter machte sich nichts daraus, wenn Savannah säuerlich roch oder ihm ein Loch in den Bauch fragte.
»Ich fahre Sie nach Hause«, sagte Caroline zu Janine.
9. Kapitel – Caroline
Caroline wusste, dass sie sich zu viel Zeit nahm für die Heimfahrt, nachdem sie Janine abgesetzt hatte, und eigentlich hätte sie nicht auch noch halten und sich einen Becher Kaffee besorgen sollen, aber wenn sie das nicht getan hätte, wäre sie am Steuer eingeschlafen. Zu Hause würde sie als Gegenmittel gegen das Koffein eine Bikalm nehmen müssen, wenn sie keine schlaflose Nacht verbringen wollte.
An jeder roten Ampel hielt sie dankbar an und trank einen Schluck Kaffee. Was ihr am meisten fehlte, war die Freiheit, über ihre Zeit verfügen zu können. Egal, ob ihre Forschung in die entscheidende Phase trat, wo sich jeden Moment neue wissenschaftliche Erkenntnisse auftun konnten – zur Abendessenszeit musste sie nach Hause. Bevor sie Savannah adoptiert hatten, hatte Caroline sich jederzeit in ihre Arbeit vertiefen können, ohne über die Uhrzeit nachzudenken.
Vorher hatte sie mit Peter nie Probleme gehabt. Auch er stürzte sich mit Leidenschaft in seine Arbeit, aber die Zeit, die er mit Savannah verbrachte, verschaffte ihm die gleiche Art von Befriedigung wie seine Arbeit.
Sie bog in die Einfahrt zu ihrem Haus ein.
»Caroline?« Peter stand in der Haustür. Er wirkte nicht wütend, aber er lächelte auch nicht.
»Alles in Ordnung?«, fragte Caroline.
»Savannah hat einen Schreck gekriegt.« Mit den vor der Brust verschränkten Armen erinnerte er sie auf unangenehme Weise an seinen Vater. Peters Eltern hatten ihre Kinder zu ihrem Lebensmittelpunkt gemacht. Genauso wie Carolines Mutter.
Carolines Vater hatte die Kindererziehung seiner Frau überlassen, und niemand hatte
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