Das Band der Wünsche: Roman (German Edition)
deutlich.
Der Raum war so schummrig beleuchtet wie die Bar, in der sie mit Nathan getanzt hatte, nur dass dort alles in gelbliches Licht getaucht gewesen war. Hier leuchtete rosarotes Licht jeden Winkel aus. Mit aufwendigen Schnitzereien verzierte Eichenpaneele und in Rottönen gehaltene Damasttapeten schimmerten im gedämpften Licht von Kronleuchtern.
»Ich habe heute ein Loft verkauft«, sagte Bobby. »Komplett renoviert. An einen Maler, der es als Atelier nutzen will. Hab einen unglaublich guten Preis erzielt.«
»Ich dachte, die Preise wären im Keller«, sagte Tia.
»Southie ist inzwischen ein scheißteures Pflaster.« Bobby errötete schon wieder. »Sorry.«
»Bobby. Du brauchst dich nicht zu entschuldigen, weil du ›Scheiße‹ sagst.« Sie verdrehte übertrieben theatralisch die Augen. »Und warum ist Southie inzwischen ein …«
»In erster Linie wegen der Uferpromenade. Und das Angebot ist begrenzt.«
Es fiel Tia schwer, die Luxusimmobilien, von denen Bobby redete, mit der Gegend in Verbindung zu bringen, in der sie aufgewachsen war. »Verstehe«, sagte sie.
»Objekte an der Promenade sind richtig lukrativ.« Er streckte die Hand aus, als wollte er ihre nehmen, zog sie aber wieder zurück. »Du kannst dir nicht vorstellen, was für ein fettes Geschäft ich gerade anleiere. Oberste Preisklasse.«
»Mir gefällt das gar nicht, dass die sich alles unter den Nagel reißen«, bemerkte Tia.
»Die?« Bobby lächelte. »Wie kommt es, dass die, die wegziehen, immer am nostalgischsten sind?«
»Keiner, der da aufgewachsen ist, kann es sich leisten, sich dort Eigentum zu kaufen.«
»Ach? Du meinst also, die Faulsten sollten vom Aufschwung profitieren?«
»Wer sich eine Drei-Zimmer-Wohnung für eine halbe Million Dollar nicht leisten kann, ist also in deinen Augen faul?«
Der Kellner unterbrach sie, als er ihre Getränke brachte. Tia trank ihr Glas in einem Zug aus. Sie fühlte sich viel zu nüchtern.
Bobby hob sein Glas. »Auf unseren ersten Krach.«
Tia zuckte zusammen. Sie stieß mit ihm an. »Auf deine erste Million.«
Tia schlich an Katies Schreibtisch vorbei und ignorierte ihren demonstrativen Blick auf die Uhr. Katie betrachtete Unpünktlichkeit als schwere Charakterschwäche.
Katie erkundigte sich nicht, ob Tia ein schönes Wochenende gehabt hatte, und Tia fragte nicht, wie die neue Tapete in Katies Bad aussah. Zwar standen ihre Schreibtische im rechten Winkel zueinander, was es ihnen schwermachte, sich nicht früher oder später anzusehen, aber sie waren sehr geübt darin, so zu tun, als hätten sie wenigstens ein bisschen Privatsphäre.
Nachdem sie den Vormittag mit Klientengesprächen und endlosen Telefonaten mit allen möglichen Behörden verbracht hatte, durchsuchte Tia die Papiere auf ihrem Schreibtisch nach dem gelben Schreibblock mit der ständig wachsenden Liste der Dinge, die sie noch tun musste. Sie weigerte sich, die Liste auf ihrem Computer zu führen, denn was elektronisch gespeichert war, ließ sich nach Erledigen weder zerknüllen noch zerreißen oder sonstwie vernichten wie Papier. Das konnte man doch dauernd bei Law & Order sehen, oder? Gelöschte Ordner lebten unbeirrt weiter in irgendwelchen Ecken und Winkeln des Computers, von denen Normalsterbliche keine blasse Ahnung hatten.
März:
Mrs. Jankowicz’ Wohnung inspizieren
Ein Heim für die Grahams finden?
Runden Tisch für April vorbereiten
Katie an die Mitarbeitertagung erinnern
Walker Foundation: Zuschüsse beantragen
AA-Gruppe in Jamaica Plain für Jerry Conlin finden
Überprüfen, ob Mr. O’Hara isst
Tia betrachtete die Liste. Sie brachte sie auf den neuesten Stand, indem sie »März« durchstrich und »April« darüberschrieb.
Tia wünschte, sie hätte den ganzen Tag Zeit, um mit ihren Klienten Ausflüge zu machen. Heute gehen wir zum Mittagessen in die Newberry Street! Wissen Sie was, Mr. O’Malley, heute gehen wir in die Bibliothek und leihen den neuen Grisham für Sie aus! Mrs. Kuffel, haben Sie den neuen Adam-Sandler-Film schon gesehen?
Mrs. Kuffel war neunundachtzig und lebte allein, und sie hatte Adam Sandler sozusagen als ihren Enkel adoptiert.
Tia mochte ihre Klienten, aber zu vieles an ihrer Arbeit ging ihr schrecklich auf die Nerven. Der ewige Papierkram, die Berichte, das leidige Thema Austausch mit den anderen Beratungsstellen und die lästigen Zuschussanträge, die ihr Chef Richard dauernd ihr und Katie zuschob.
Richards Faulheit bescherte Tia und Katie eine Menge Mehrarbeit. Jeden Tag
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