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Das Band der Wünsche: Roman (German Edition)

Das Band der Wünsche: Roman (German Edition)

Titel: Das Band der Wünsche: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Randy Susan Meyers
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nicht reagierte, seufzte Robin leise. »Was ist los?«
    »Ich krieg’s nicht geregelt«, sagte Tia. »Egal was ich tue, ich trete auf der Stelle.«
    »Klingt ziemlich existenzialistisch. Geht es vielleicht ein bisschen konkreter?«
    Tia kämpfte mit den Tränen. Es tat so gut, eine liebevolle Stimme zu hören. Ehrlich sein zu können. Manchmal vergaß sie ganz, wie belastend es war, sich ständig verstellen zu müssen. »Ich glaube, meine Kollegen können mich alle nicht leiden.«
    »Und kannst du sie leiden?«
    »Nicht besonders.«
    »Hast du dich schon mal gefragt, ob du vielleicht am falschen Ort bist? Vielleicht hast du ja das Gefühl, auf der Stelle zu treten, weil du das tatsächlich tust. Vielleicht musst du dich wegbewegen.«
    »Und wo soll ich hin?«
    »Irgendwohin. Es gibt noch andere Arbeitsplätze als deine Agentur der letzten Hoffnung.«
    »Aber für mich ist der Job okay.«
    »Nein, Tia. Es ist nur ein bequemer Job für dich. Du begehst den grundsätzlichen Fehler, in Boston zu bleiben.«
    »Hier zu leben, ist kein Zuckerschlecken.«
    »Stimmt. Eher Toastbrot mit Mayo. Da weiß man, was man zu erwarten hat.«
    »Es gibt Gründe, aus denen ich hier nicht wegkann, und die kennst du.«
    »Du informierst einfach die Adoptionsstelle über deine neue Adresse. Nathan kann dich in Kalifornien genauso leicht finden wie in Jamaica Plain. Wir leben in einer großen kleinen Welt. Sagt dir das Wort Google etwas?«
    Tia erwiderte nichts.
    »Mensch, Tia, der sucht doch sowieso nicht nach dir.«
    »Du weißt genau, dass es noch mehr Gründe gibt.«
    »Nein, gibt es nicht. Die Post funktioniert auch in Kalifornien. Wir kriegen Briefe. Und Fotos.«
    »Vergiss es. Lass uns später noch mal reden.«
    »Ruf mich an«, beharrte Robin. »Heute Abend. Egal wie spät.«
    Tia beendete das Gespräch und rieb das Telefon, als wäre es Robins Schulter.
    Im Alter von zehn Jahren war Tia mit ihrer Mutter aus dem D-Street-Sozialbaugebiet in ein winziges Haus ohne Vorgarten gezogen. Ein ohnehin schon zu kleines Einfamilienhaus war illegalerweise in zwei Mini-Apartments aufgeteilt worden. Tias Mutter hatte die Enge in Kauf genommen, weil sie froh war, im Point, dem guten Teil von Southie, zu leben, und Tia war einfach nur glücklich gewesen, denn der Umzug hatte ihr Robin beschert, die in der Wohnung nebenan wohnte.
    Da Robins Eltern sich pausenlos stritten, war Robin fast immer bei Tia gewesen. In Tias Zimmer gelangte man durch die Küche, die so klein war, dass kaum zwei Leute Platz zum Essen hatten. Tia aß all ihre Mahlzeiten vor dem Fernseher. Ihre Mutter überließ den beiden Mädchen den größeren Teil der Wohnung, froh darüber, dass ihre Tochter Gesellschaft hatte, jetzt wo ihr neuer Job an der Brandeis University, wie sie Tia immer wieder sagte, ihr alle Kraft raubte.
    Tia eilte die Washington Street entlang zum Doyle’s. In der Kneipe verkehrten politische Typen, die so taten, als kämen sie nicht zum Saufen, sondern wegen der Geselligkeit; Ökos, die sich ab und zu einen Hamburger und ein Bier nicht verkneifen konnten; alteingessene Bewohner von Jamaica Plain und Leute wie Tia, die sich einfach unters Volk mischen wollten.
    Tia trat durch die Seitentür in das angenehme Dämmerlicht. Für jemanden, der schon nachmittags um zwei einen Drink brauchte, war die schummrige Atmosphäre genau richtig. Sie sah sich nervös um und hoffte, niemanden anzutreffen, den sie von der Arbeit kannte.
    Sitznischen mit hohen hölzernen Trennwänden unterteilten den heruntergekommenen Schankraum. Tia nahm an dem kurzen Tresen Platz, der zerkratzt war von all den Bierkrügen, die über die Jahre draufgeknallt worden waren. Der Spiegel hinter dem Tresen war vom jahrzehntelangen Zigarettenrauch wolkig. Zum Glück war das Rauchen in Kneipen mittlerweile verboten. Die Versuchung wäre zu groß gewesen, wenn man noch hätte Zigaretten schnorren können.
    Sie hatte mit dem Rauchen aufgehört, als sie schwanger wurde. Es gab nicht viel, was sie ihrem Kind zu bieten hatte; wenigstens konnte sie es mit sauberem Sauerstoff versorgen.
    Nur wenige Leute saßen am Tresen. Ein alter Mann, Haut und Haar so grau wie Zigarettenasche, kauerte auf einem Hocker rechts von ihr. Nur das Glas Rotwein verlieh dem tristen Bild etwas Farbe. Ein Mann in mittleren Jahren saß über sein Bier gebeugt da. Drei mit grüner Farbe bekleckerte Anstreicher machten sich über Teller mit Fritten her, die sie mit Bier herunterspülten.
    Auf dem Hocker links neben ihr las ein

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