Das Band der Wünsche: Roman (German Edition)
jedem mal.«
»Warum ist Mom denn heute Morgen traurig?«, fragte Max.
Was wirst du ihm jetzt sagen, Nathan?
»Als Mom klein war, war Ostern ziemlich deprimierend für sie. Und ich habe es jetzt wohl noch schlimmer gemacht.« Es hörte sich an, als tätschelte Nathan die Badezimmertür, so als wäre sie ihr Rücken. »Nun macht schon, lasst sie in Ruhe.«
Sie trollten sich, und Juliette hasste Nathan mehr denn je. Wenn er sie so gut kannte, warum ließ er sie dann so hängen? Warum konnte er nicht immer so sein?
Warum war er dann zu dieser Frau gegangen?
Juliette nahm die heißen Handtücher aus dem Wäschetrockner und hätte sich am liebsten ein warmes Nest aus dem warmen Frottee eingerichtet und sich hineingelegt. Die Dienstage waren ruhig im Laden. Sie war schon früh am Morgen hereingekommen, um Nathan zu entgehen und ihre quälenden Fragen zum Schweigen zu bringen.
Ein Schlüssel wurde in der Eingangstür gedreht. Gwynnes leichte Schritte kamen näher.
»Was machst du da?«, fragte Gwynne.
»Handtücher falten.«
»Kommt Helen heute nicht?«
Helen war ihre Putzfrau, Handtuchfalterin und Nörglerin vom Dienst. Sie versuchten sie mit Geschenken bei Laune zu halten. (Sieh mal, Helen, Fresienparfum gegen Geruch der Enttäuschung! Knallroter Lippenstift für deine faltigen Lippen!) Sie zog mit ihrer schlechten Laune alle herunter, aber weder Gwynne noch Juliette brachten den Mut auf, sie zu entlassen.
»Sie putzt die Bäder«, erwiderte Juliette mit hochgezogenen Augenbrauen.
»Und deswegen musst du die Wäsche falten?«
»Ich musste mich irgendwo verkriechen, wo ich ihr Gemaule nicht hören muss: ›Schweine, alles Schweine.‹«
Gwynne musterte sie skeptisch.
»Also gut, ich wollte irgendwas tun, wobei ich nicht nachdenken muss«, räumte sie ein.
»Was ist los? Seit Wochen bist du schon bedrückt.«
»Mir geht’s gut.«
»Dir geht es so offensichtlich nicht gut, dass ich das Gefühl habe, ich sollte dir Tee mit einem ordentlichen Schuss Brandy vorsetzen.«
»Wirklich. Es ist nichts«, beharrte Juliette.
Dieses »Nichts« brannte ihr in der Kehle, während sie verzweifelt zu verhindern suchte, dass die Gefühle aus ihr hervorbrachen.
»Wie heißt es so schön? Tränen sind Balsam für die Seele.« Gwynnes leicht dahingesagte Worte konnten nicht verbergen, dass sie sich Sorgen machte.
»Und was hilft gegen den Nathan-Blues?«, fragte Juliette.
»Was hat er denn jetzt schon wieder angestellt?« Gwynne war über die Affäre mit Tia im Bilde. Hätte Juliette ihr nichts davon erzählt, wäre sie wie die Violetta in Charly und die Schokoladenfabrik zu einer riesigen Blaubeere angeschwollen . Aber was Juliette hätte platzen lassen, wären gewiss keine Süßigkeiten gewesen.
Sie verbarg ihr Gesicht in einem Handtuch. Zu spät. Es war bereits abgekühlt, und jetzt musste es für nichts und wieder nichts noch einmal gewaschen werden.
Gwynne nahm Juliette das Handtuch ab und warf es in den Wäschekorb. »Hör auf. Man sollte meinen, du wolltest dich verschleiern, so wie du dir damit den Mund zuhältst.«
Juliette blinzelte, konnte jedoch ihre Tränen nicht zurückhalten.
»Hat er wieder eine andere?«, fragte Gwynne.
»Ich glaube nicht.« Sie nahm das Handtuch, das Gwynne in den Wäschekorb geworfen hatte, wieder heraus und wischte sich die Augen ab.
Gwynne ließ sich auf das bequeme Sofa fallen und klopfte auf den Platz neben sich. Dieses Hinterzimmer mit dem Wäschetrockner, den alten Zeitschriften, den Spinden und Tischen, auf denen sich Kosmetikpröbchen stapelten, mit denen ihr Laden überschwemmt wurde, war alles andere als elegant eingerichtet. Alte Stühle und ausgefranste Kissen fristeten ihre letzten Tage in diesem Raum, in dem Schönheit völlig nebensächlich war.
»Er hat eine Tochter.«
»Er hat eine Tochter«, wiederholte Gwynne.
»Nathan hat eine kleine Tochter. Sie ist fünf.« Juliette lehnte sich zurück und schob sich die Haare aus dem Gesicht. Sie hatte das Geheimnis preisgegeben. Jetzt war es Wirklichkeit. Savannah, Honor, Tias Baby, Carolines Kind, Nathans Tochter, existierte nicht mehr nur in ihrem Kopf, und jetzt musste sie sich mit ihr auseinandersetzen.
Beim Abendessen bemühte sich Juliette, freundlich zu sein. Lucas zuliebe und Max zuliebe, und weil sie einen Plan hatte. Gwynne hatte ihr geholfen, eine Strategie zu entwickeln, wie sie mit Nathan reden konnte. Sie würde ruhig sein. Entspannt. Ihm Raum für seine Gefühle und Reaktionen lassen, bevor sie ihm
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