Das Band der Wünsche: Roman (German Edition)
machst den Kindern Angst.« Sie legte Nathans Schlüsselbund in die Schale, die dazu diente, die hölzerne Tischplatte vor Kratzern zu schützen.
»Ach, jetzt plötzlich machst du dir Sorgen? Nach deinem Auftritt bei meinen Eltern wird die Jungs so schnell nichts mehr beunruhigen oder wecken. Wie spät ist es überhaupt? Vier?«
»Es ist erst zwei.« Juliette ging in Richtung Küche.
Nathan folgte ihr. »Wo zum Teufel willst du hin?«
Sie drehte sich um. »Beherrsch dich gefälligst. Ich bin keins von diesen Mädchen, die dich mit großen Augen anhimmeln.«
»Herrgott, was ist bloß in dich gefahren, Jules?«
Sie starrten einander an. Nathan versuchte zu ergründen, was in Juliette vorging. Alles Mögliche kam ihr in den Sinn, was sie hätte sagen können, aber die Worte blieben ihr im Hals stecken. Wenn sie ihm die Wahrheit sagte, würde sich alles ändern. Aber bis dahin, egal wie elend sie sich fühlte, waren sie zu viert: sie, Nathan, Lucas und Max. Wenn sie Savannah ins Spiel brachte, würde die Kleine zur Familie gehören, und nichts mehr würde sein wie vorher.
»Warum bist du so wütend?«, fragte er. »Ich kapiere überhaupt nichts.«
Sie sagte das Einzige, was überhaupt irgendeinen Sinn ergab. Vielleicht, wenn sie eine Andeutung fallen ließ, würde sie einen Hinweis darauf erhalten, ob Nathan sich immer noch mit Tia traf und ob er von Savannah wusste. »Es geht um sie«, sagte Juliette.
»Sie? Wer ist sie?«
Sie war erleichtert, denn seine Reaktion schien ehrlich zu sein. »Diese Frau. Die, mit der du geschlafen hast.«
»Von wem redest du?«
»Gab es mehr als eine?«
»Redest du etwa von Tia? Ernsthaft? Deswegen sind wir aus Brooklyn weggefahren? Was soll der Mist, Juliette?« Er raufte sich die Haare. »Hast du irgendeine Art von traumatischem Flashback?«
Plötzlich fühlte sie sich unglaublich einsam. Allein zu sein mit einem Wissen von solcher Tragweite, war erdrückend.
»Vielleicht«, flüsterte sie. Sie ging zu Nathan und schmiegte sich an ihn. »Vielleicht ist das mein Problem.«
So konnte es nicht weitergehen, aber sie wusste auch nicht, was sie tun sollte. Alles, was sie im Moment wollte, war, die einzige Mutter von Nathans einzigen Kindern zu sein.
13. Kapitel – Juliette
In der Woche nach Pessach herrschte vorübergehend Entspannungspolitik. Juliette betäubte sich mit Wiederholungen von Law & Order . Nathan verbrachte die meisten Abende an seinem Schreibtisch.
Dann kam Ostern, ein Feiertag, der Juliette schon immer Depressionen verursacht hatte. Die Mädchen in Rhinebeck hatten Rüschen und Taft getragen. Seidenbänder flatterten an reich bestückten Osterkörben mit Marshmellow-Küken, bunten Gummibärchen und rosafarbenen Haarspangen. Zum Abendessen hatten sie auf Stapeln von Telefonbüchern gesessen und Schinken und kandierte Süßkartoffeln verspeist. Die Leute hatten Fotos von den Mädchen gemacht, weil sie so niedlich waren.
Juliette hasste Ostern.
Ihre Eltern hatten alle christlichen Bräuche ignoriert. Hatte es damit zu tun, dass ihr Vater Jude war? Aber sie hatten auch nie Pessach gefeiert. Oder hatte es daran gelegen, dass ihre Eltern am Bard College unterrichteten, dieser Bastion des Humanismus und Rationalismus? Ihre Mutter lehrte Kreativen Tanz, ihr Vater Politikwissenschaft – vielleicht waren sie einfach zu anspruchsvoll für Marshmellow-Küken und zu liberal für Petticoats? Der Ostersonntag unterschied sich bei ihnen zu Hause in nichts von jedem beliebigen anderen Sonntag, bis auf die Tatsache, dass Juliette am Morgen einen Schokoladenosterhasen auf ihrer Kommode vorfand. Den Ostersonntagmorgen verbrachte Juliette damit, ihren Osterhasen zu verputzen, während ihre Eltern wie immer lange schliefen.
Als Lucas zwei Jahre alt war, hatte Juliette ihm einen Osterkorb gebastelt, der eines Prinzen würdig war. Nathan war hereingekommen, als sie gerade die letzten Schleifen kräuselte – jede Menge blaue und gelbe Bänder, die sie um gelbes Stroh gewickelt hatte.
»Was hältst du davon?« Sie hielt ihr Meisterwerk hoch.
Nathan hatte zögerlich am weichen weißen Fell eines Plüschhasen gefühlt. Er strich über die Schnurrhaare und ließ sie vor- und zurückfedern. »Ein Osterkorb?«
»Hast du ein Problem damit?«, hatte Juliette gefragt.
»Nun fühl dich doch nicht gleich angegriffen, Juliette«, lautete seine Antwort.
»Dann schlag nicht diesen Ton an.«
»Welchen Ton denn?« Nathan verschränkte die Arme vor der Brust.
»Den
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