Das Band der Wünsche: Roman (German Edition)
sie jedoch häufig nicht richtig anzuwenden, aber in Juliettes Ohren klang ihr Englisch, das nicht ihre Muttersprache war, manchmal wie Poesie.
Familie zuerst
Lass nie zu
Dass deine Arbeit
Diesen
Grundsatz
Kaschiert
Das Familienfoto war uralt. Nathan hielt den kleinen Max im Arm, als hätte er soeben einen Oscar gewonnen. Er war von Anfang an ein wunderbarer Vater gewesen. Als Lucas ein Baby war, und Juliette sich nicht traute, ihm die Fingernägel zu schneiden, aus Angst, eins der winzigen Fingerchen zu verletzen, hatte Nathan das übernommen.
Sie ging die Liste seiner positiven Eigenschaften durch.
Er war warmherzig und freundlich. Meistens.
Er war intelligent.
Er war interessant.
Im Bett hatten sie sich immer fantastisch verstanden, auch wenn dieser Gedanke die Tür zu unerträglichen Fragen öffnete.
Er verstand, warum ihre Eltern ihr auf die Nerven gingen.
Er wusste, wie sehr sie seine Eltern liebte.
Er war der Vater von Max und Lucas.
Sie liebte ihn.
Sie wollte nicht ohne ihn leben.
Juliette stellte das Foto wieder an seinen Platz und nahm das blitzsaubere Telefon. Sie betrachtete ihren aufgeräumten Schreibtisch. Die Ordnung beruhigte sie. Je sauberer ihr Arbeitsplatz, desto klarer ihre Entscheidungen. Es waren nicht immer die richtigen, aber sie fällte sie prompt. Entscheidungen wie aus der Pistole geschossen.
Juliette startete ihren Computer. Sie rief ihr Adressbuch auf und ging die Liste durch, bis sie bei F für Fitzgerald angelangt war.
Am darauffolgenden Samstag traf Juliette als Erste zu ihrer Verabredung mit Caroline ein. Die etwas heruntergekommene Einrichtung des kleinen Cafés wirkte beruhigend: Polstersessel, alte Holztische und schummriges Licht.
Es war Mittagszeit, aber Juliette war zu nervös, um etwas zu essen. Sie hatte Caroline am Telefon lediglich gesagt, dass sie etwas Wichtiges in Bezug auf Savannah mit ihr zu besprechen hätte. Caroline von ihren guten Absichten zu überzeugen, ohne ihr reinen Wein einzuschenken, war ein wahrer Drahtseilakt gewesen. Sie hatte Caroline dreist angelogen, sie habe neue Informationen von ihrer Freundin, die ebenfalls Kinder adoptiert hatte.
Jetzt wurde ihr siedend heiß bewusst, dass sie Caroline zwar zu einem Treffen überredet, sich jedoch keine Gedanken darüber gemacht hatte, wie sie das Gespräch mit ihr gestalten sollte.
Caroline kam herein und schaute sich mit ausdrucksloser Miene um. Als Juliette ihr zuwinkte, hob Caroline die Hand zögerlich zum Gruß.
»Hallo. Nett, Sie wiederzusehen.« Caroline legte eine Zeitung auf den Tisch und zeigte auf Juliettes Kaffeetasse. »Ich hol mir auch einen Kaffee. Wollen Sie noch einen?«
»Nein, danke.«
Juliette sah ihr nach, als sie zum Tresen ging. Caroline trug kein Make-up, nicht einmal die braune Wimperntusche, die ihre Augen zum Strahlen bringen würde, wie Juliette ihr versichert hatte.
War es das, was nicht mit ihr stimmte, fragte sich Juliette? Dass sie über Wimperntusche nachdachte, während sich ihr Leben in ein Trümmerfeld verwandelte? Hatte Nathan sich Tia gesucht, weil er eine Frau brauchte, die nicht so oberflächlich war?
Caroline kam mit einem ziemlich schwarzen Kaffee zurück. »Ich muss zugeben, dass ich ziemlich neugierig bin, warum Sie mit mir sprechen wollten. Sie klangen etwas nervös am Telefon.«
Juliette versuchte, ihre Gedanken zu ordnen. Wie erzählte man so eine Geschichte? Schließlich fing sie einfach an zu reden. Caroline hörte interessiert zu, ohne sie zu unterbrechen, während Juliette ihr darlegte, welche Verbindung zwischen ihnen bestand. Nachdem Juliette geendet hatte, schwieg Caroline einige Minuten. Als sie schließlich etwas sagte, klang ihre Stimme dünn.
»Das ist doch absurd.«
»Mir ist klar, dass es sich so anhören muss.«
»Deshalb haben Sie mir also diese Einladung geschickt.« Caroline umklammerte die zerknüllte Serviette. »Wie konnte ich nur so naiv sein. Sie müssen mich ja für eine komplette Idiotin gehalten haben.«
Caroline verfiel wieder in Schweigen. Juliette versuchte, die Zwischentöne von Carolines Worten zu deuten. Sie konnte nicht einschätzen, ob Caroline sie am liebsten umbringen würde oder im nächsten Moment einfach aufstehen und angewidert gehen würde oder ob ihre Neugier alle anderen Gefühle überwog. An ihrer Stelle wäre Juliette garantiert nicht so ruhig geblieben.
Halten Sie sich gefälligst von meiner Familie fern! , hätte sie geschrien. Was wollen Sie überhaupt? Wenn Sie mir etwas zu sagen haben,
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