Das Band der Wünsche: Roman (German Edition)
neben der Beratungsstelle halb so lange brauchte wie sonst. Die Schlange im Fazenda Café war diesmal auch nicht so entmutigend lang. Ohne Kopfschmerzen und Kater sah die Welt schon ganz anders aus.
Wenn sie doch nur in Bobby mehr sehen könnte als ihren Seelentröster. Sie wünschte, seine Haut, seine Stimme, sein Haar zwischen ihren Fingern würden auf sie genauso elektrisierend wirken, wie es bei Nathan der Fall gewesen war.
Sie verscheuchte ihre Gedanken an Nathan mithilfe einer Visualisierungstechnik, die Bobby ihr beigebracht hatte, auch wenn er keine Ahnung hatte, dass sie sie für diesen Zweck benutzen würde. Nathan wurde zu einem riesigen Felsblock, den sie von einer Klippe stieß.
Adios , Nathan .
»Zwei Blaubeer-Scones«, sagte Tia zu der jungen Verkäuferin hinter dem Tresen, als sie an der Reihe war. »Und einen Maismuffin.« Richard mochte Muffins, während sie und Katie nach Scones süchtig waren. Tia würde für jeden etwas mitbringen.
Positives Handeln erzeugt positives Denken .
Und sie würde eine Möglichkeit finden, Mrs. Graham im Gefängnis zu besuchen. Richard beharrte auf seinem Nein – er wollte sich zuerst mit seinen Vorgesetzten absprechen, aber das dauerte alles so lange, dass Tia fürchtete, beide Grahams könnten tot sein, bevor man ihr den Besuch genehmigte.
Richard und Katie warteten bereits auf sie, als sie im Büro eintraf. Schade. Sie hatte den beiden das Gebäck als Überraschung auf den Schreibtisch legen wollen.
Sie kam nicht einmal zu spät. Was hatte das zu bedeuten? Die beiden hatten sich mit vor der Brust verschränkten Armen vor Tias Schreibtisch aufgebaut, als wären sie Polizisten.
»Was ist los?« Tia umklammerte den Riemen ihrer Handtasche. »Ist Sam gestorben?«
Sie betete, Mr. Graham möge noch leben, damit ihr diese Bürde wenigstens erspart bliebe, obwohl der Tod für den alten Mann eine Erlösung wäre.
»Guten Morgen.« Richard musterte Tia mit einem Blick, der sich anfühlte wie eine Ohrfeige. »Frage: Könnte es sein, dass in letzter Zeit etwas deiner Aufmerksamkeit entgangen ist?«
Katie sah Tia an, als hätte sie ein dreckverschmiertes Gesicht. Hatte sie irgendwelche Berichte nicht pünktlich abgeliefert, fragte sich Tia krampfhaft?
»Wovon redet ihr?« Sie wollte an ihren Schreibtisch gehen, aber Katie stellte sich ihr in den Weg. Richard wedelte mit einem Aktenordner.
»Was soll das?«, fragte Tia.
»Wir haben es rausgefunden.« Katie reckte das Kinn vor. »Es hat keinen Zweck zu leugnen.«
»Was habt ihr rausgefunden?«
»Hast du eigentlich eine Ahnung, was uns das kosten wird?« Richard knallte den Ordner auf den Tisch.
Plötzlich fiel Tia auf, dass ihr Schreibtisch anders aussah. Das war ein völlig unvertrautes Durcheinander. Am Rand lagen mehrere Stapel Unterlagen.
»Wie konntest du das nur tun?« Katie schüttelte den Kopf, als würde sie Tia bedauern. »Die alten Leute werden das ausbaden müssen.«
»Ich weiß überhaupt nicht, wovon ihr redet.«
Wenn es wenigstens gestimmt hätte. Die Angst, die Tia schon seit Wochen verdrängte, traf sie wie ein Schlag in den Magen, sodass ihr beinahe übel wurde.
Der Zuschuss der Walker Foundation.
Richards Augen wurden schmal. »Aha, fällt endlich der Groschen? Ist dir klar, dass du uns womöglich in den Ruin getrieben hast?«
Welches Datum war heute? Tia hatte den Antrag für den Zuschuss schon so lange vor sich hergeschoben, dass sie sich kaum noch an den Stichtag erinnerte.
»Wie konntest du nur, Tia?« Katies Augen waren gerötet. »Weißt du eigentlich, was du uns angetan hast?«
Der Kaffee lief aus. Tia spürte die heiße Flüssigkeit an der Hand, aber weil Richard und Katie den Weg zu ihrem Schreibtisch blockierten, konnte sie die Tüte nicht abstellen. Ehe die Tüte sich auflöste, hielt sie sie hoch. »Ich hab uns Kaffee mitgebracht und Gebäck. Für dich einen Muffin, Richard.«
»Das ist jetzt nicht der richtige Moment für Scherze.« Er massierte sich die Stirn. »Die Lage ist ernst.«
»Ich dachte nur, du würdest dich über einen Muffin freuen.« Tias Hände zitterten.
»Wir können froh sein, wenn wir überhaupt noch Schreibtische haben, an denen wir die Dinger essen können, wenn das überstanden ist. Das Walker-Geld macht sechzig Prozent unseres Budgets aus!« Richard wurde laut. »Sechzig Prozent!«
Tia biss sich auf die Zunge, um ihn nicht zu fragen, wann er das letzte Mal irgendetwas in der Beratungsstelle überprüft hatte. »Das können wir bestimmt noch
Weitere Kostenlose Bücher