Das Band der Wünsche: Roman (German Edition)
einmal zu betonen, dass sie reden müssten, und um sie zu bitten, doch wenigstens über seinen Vorschlag nachzudenken. »Lass die Idee doch wenigstens mal sacken«, sagte er.
Carolines Mutter hinterließ eine Nachricht, um sie daran zu erinnern, dass sie das Kleid für die Hochzeit ihrer Schwester noch anprobieren musste. Die Schneiderin erwarte sie alle am Samstagmorgen um Punkt acht.
Carolines Schwägerin Faith schickte ihr eine Mail und bat sie, ihr bei der Bewerbung für ein Aufbaustudium zu helfen.
Carolines Sekretärin erinnerte sie im Flüsterton daran, dass sie mit ihren Stundennachweisen im Verzug war. Schon seit zwei Tagen wisse niemand, wie viel Arbeitszeit Caroline in welches Projekt investiert hatte. Zu ihrem eigenen Erstaunen war ihr, Caroline, das so gut wie gleichgültig.
Das Schlimmste war, dass Caroline kurz nach dem Mittagessen auf die Damentoilette flüchten musste, weil sie ihre Füße betrachtet und daraufhin in Tränen ausgebrochen war. Ihre Schuhe waren abgewetzt und hässlich. Ihre Hose war an den Säumen verschlissen. Ihre Knie fühlten sich knochig und alt an. Bisher hatte sie sich nie Gedanken über ihr Äußeres gemacht; sie war nicht schön, aber sie war mit ihrem Aussehen zufrieden gewesen. Kein Problem. Das Thema hatte nie eine große Rolle gespielt, ihr mehr als scharfsinniger Verstand war ihr wichtiger gewesen. Aber auf einmal fühlte sich ihre Psyche an wie eine löchrige Decke, durch die alle möglichen unerwünschten Dinge auf sie eindringen konnten.
Als sie zu Hause ankam – pünktlich –, hätte sie am liebsten geduscht und sich mit einem guten Buch ins Bett gelegt. Der Tag war nicht besonders anstrengend gewesen, eigentlich nur das Übliche, aber in letzter Zeit empfand sie das Übliche nur noch als heilloses Durcheinander.
Sie duschte nicht und legte sich auch nicht ins Bett. Sie kochte Vollkorn-Orecchiette, mischte sie mit Käse und Erbsen und ließ das Ganze als ausgewogene Mahlzeit durchgehen.
Sie gönnte Savannah ein ausgiebiges Bad, ließ sie sogar ihre Puppen mit in die Wanne nehmen und half ihr anschließend zu ihrer großen Freude, den beiden die Haare zu föhnen.
Anstatt mit Peter über seinen Vorschlag zu sprechen, küsste sie ihn mit gespielter Leidenschaft, schenkte ihnen beiden ein Glas Wein ein, animierte ihn zum Sex und versetzte ihn genauso effizient in den Schlaf wie zuvor ihre Tochter.
Es hätte nicht schlimmer sein können, wenn sie sich hinter den verschlossenen Türen ihres Arbeitszimmers durch Pornoseiten geklickt hätte. Um drei Uhr morgens wurde ihre Einsamkeit so unerträglich, dass sie Websites aufsuchte wie Insight: Offene Adoption . Das Gespräch mit Juliette in Verbindung mit Peters wahnwitzigen Ideen brachte sie so sehr um den Schlaf, dass es schon besorgniserregend war. Alles in ihr sträubte sich dagegen, schon wieder eine Schlaftablette zu nehmen. Sie hatte es satt, dem Leben mit Abschottung zu begegnen. Es wurde Zeit, dass sie in die Offensive ging.
Nachdem sie das Wort »Adoption« in mehreren Kombinationen gegoogelt hatte, ging sie zurück zu Insight . Sie öffnete ein leeres Word-Dokument, gab ihm den Namen »Adoptionsstress«. Dann begann sie, die Seiten zu durchforsten nach Informationen, die auf ihre Situation zuzutreffen schienen. Sie kopierte zahlreiche Passagen und fügte sie in das Dokument ein.
»Woher auch immer Ihr Kind stammen mag, als Adoptiveltern werden Sie sich mit der Herkunftsfamilie Ihres Kindes auseinandersetzen müssen, egal ob Sie sie kennen oder nicht. Die Herkunftsfamilie wird immer ein Teil Ihres Kindes sein.«
Sie dachte daran, wie Juliette von den Großeltern gesprochen hatte, die Savannah nie kennenlernen würde.
»Viele erfahrene Fachleute empfehlen zukünftigen Eltern und Adoptiveltern, den Grad an Kontakt festzulegen, mit dem sie sich am wohlsten fühlen. Aber diese naive Wohlfühlphilosophie lässt eine Reihe äußerst wichtiger Punkte außer Acht, etwa den, dass es bei einer offenen Adoption nicht vorrangig um das Wohlbefinden der beteiligten Erwachsenen geht, sondern um das des betroffenen Kindes.«
Caroline dachte eine ganze Weile darüber nach. War es nicht ungerecht, dass sie und Peter, Tia, Juliette und ihr Mann alles Mögliche voneinander wussten, während Savannah völlig ahnungslos war? Beschränkten sie sich darauf, ihrer Tochter Märchen und Kinderbücher zum Thema »wir haben dich ausgesucht« vorzulesen, um Savannah etwas Gutes zu tun oder um sich selbst wohlzufühlen?
»Viele
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