Das Band der Wünsche: Roman (German Edition)
ausgemalt, wie sie Savannah am nächsten Morgen weckte und erlebte, wie sie sich freute über das Stofftier, das ein blaues Jäckchen trug, genau wie in den Büchern von Beatrix Potter. Wenn sie nicht zu müde war, konnte sie vielleicht sogar noch ein kleines Bett für die Maus basteln …
»Würdest du mir bitte eine Antwort geben?«
»Tut mir leid. Ich dachte, es wäre eine rhetorische Frage gewesen.«
»Sarkasmus hilft auch nicht.«
»Ich wusste gar nicht, dass ich Hilfe brauche«, entgegnete Caroline. »Dass wir Hilfe brauchen.«
»Siehst du. Es geht schon wieder los.« Peter seufzte.
»Was geht schon wieder los? Was ?«
»Wir gehen unter. Deine Arbeit erdrückt unsere ganze Familie.«
Sie legte die kleine Tüte auf den Tisch und ließ sich aufs Sofa fallen, zu müde, um stehen zu bleiben, zu erschöpft, um sich zu streiten. »Vielleicht sollte ich meine Arbeitszeit anders organisieren und sehen, ob ich eine Möglichkeit finde, besser mit all dem zurechtzukommen.« Caroline wedelte mit den Händen, als würde »all das« an den Wänden hängen.
Peter setzte sich neben sie. Er legte ihr eine Hand aufs Knie. »Hast du schon mal drüber nachgedacht, nicht zu arbeiten und ganz zu Hause zu bleiben?«, fragte er. »Wenigstens für eine Zeit lang?«
Sie schob seine Hand weg und schaute ihn an. Kannte ihr Mann sie überhaupt?
»Ich glaube, es wäre besser für Savannah«, fuhr Peter fort. »Ich weiß nicht, ob die Sache mit dieser Kinderfrau ihr guttut. Savannah scheint …«
Diese Kinderfrau? Rose kam zu ihnen, seit Savannah drei Jahre alt war.
»Ich muss immer daran denken, wie das bei uns zu Hause war. Meine Mutter war immer da, immer für mich erreichbar. Es war schön, so aufzuwachsen. Das würde ich mir für Savannah auch wünschen. Ich finde, das hat sie verdient.« Peter räusperte sich. »Deine Mutter war doch auch immer zu Hause. War das nicht auch für dich wichtig?«
»Ich hab’s nicht anders gekannt«, antwortete Caroline gepresst.
»Du konntest dich immer sicher aufgehoben fühlen. Brauchtest dir um nichts Sorgen zu machen.«
So machte man eine Ehe kaputt: Der Mann macht einen Vorschlag, der für die Frau eine derartige Zumutung ist, dass er für sie das Ende bedeutet, und er meint es auch noch ernst.
»Vielleicht solltest du aufhören zu arbeiten«, sagte Caroline tonlos. Er war ihr in dem Moment so fremd, dass es ihr egal war, was er darauf erwiderte.
»Ich weiß, dass du deine Arbeit liebst.« Er drückte ihr Knie. Mühsam unterdrückte sie den Impuls, seine Hand wegzuschlagen. »Aber ich liebe meine Arbeit auch, und wir müssen realistisch sein. Ich verdiene – schätzungsweise – zehnmal so viel wie du.«
»Ich könnte mir eine andere Stelle suchen«, sagte sie, als wäre irgendetwas an diesem lächerlichen Disput überhaupt der Rede wert. Er hatte Müll auf den Tisch gekippt, und jetzt sollte sie so tun, als wäre es ein schmackhaftes Abendessen.
»Selbst wenn du eine Stelle fändest, wo du annähernd so viel verdienen würdest wie ich – mal ganz abgesehen davon, dass die Firma, in der ich arbeite, mir gehört –, kannst du dir das ernsthaft vorstellen? Ich – den ganzen Tag zu Hause?«
»Nein, Peter, das kann ich nicht.« Caroline stand auf. »Was mich erschreckt, ist die Tatsache, dass du es dir für mich vorstellen kannst.«
Caroline schlich ins Kinderzimmer, das kleine Stofftier in der Hand. Savannah schlief tief und fest, den Daumen dicht an den Lippen.
Nachdem Caroline Savannahs Decke ein bisschen höher gezogen hatte, ließ sie sich auf den Boden sinken. Während sie im Schneidersitz dasaß und zusah, wie die Brust ihrer Tochter sich hob und senkte, dachte sie über Peters Vorschlag nach. Vielleicht hätte sie nicht so heftig reagieren sollen. Vielleicht sollte sie die Möglichkeit wenigstens in Betracht ziehen.
Vielleicht würde die ganze Familie wieder zueinanderfinden, wenn sie zu Hause blieb. Wenn sie sich neu in Peter verlieben könnte, anstatt jedes Mal die Luft anzuhalten, wenn er sie anfasste. Wenn sie Savannah so hingebungsvoll lieben könnte wie Peter, anstatt ihr Muttersein als Last zu empfinden.
»Mommy?«, fragte Savannah schläfrig. »Was machst du hier?«
»Ich hab dir doch einen Gutenachtkuss versprochen, oder?« Caroline drückte ihre Lippen auf Savannahs samtige Wange.
»Nimmst du mich in den Arm?«
Caroline ließ Hans Hausmaus auf den Boden fallen und legte sich neben Savannah. Das kleine Mädchen kuschelte sich an sie. »Du fühlst dich gut
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