Das Band der Wünsche: Roman (German Edition)
Kapierst du das immer noch nicht?«
»Kapierst du es denn?« Nathan verlor allmählich die Geduld. »Sie hat es meinetwegen weggegeben. Weil ich sie im Stich gelassen habe.«
»Ach, so siehst du das? Dass du deine arme, hilflose Freundin auf herzlose Weise verstoßen hast? Wahrscheinlich hast du ihr auch noch das Kind aus den Armen gerissen, oder was?«
Juliette beugte sich über Nathan und stützte sich mit den Händen auf den Sessellehnen ab. »Was glaubst du, was ich getan hätte, wenn ich schwanger gewesen wäre und du gesagt hättest: ›Lass es wegmachen‹? Wenn du erklärt hättest: ›Ich will nichts mehr mit dir zu tun haben‹? Hätte ich Max abgetrieben? Hätte ich Lucas weggegeben?«
»Das ist etwas ganz anderes. Du redest von völlig verschiedenen Situationen. Das kann man nicht miteinander vergleichen.«
»Nein, Nathan. Es gibt Grenzen. Nichts – absolut nichts – hätte mich dazu bringen können, eins von meinen Kindern wegzugeben.«
Nathan schaute zu ihr hoch und schüttelte den Kopf. »Sie ist nicht wie du.«
»Ich fasse es nicht, dass du dich auf ihre Seite stellst.«
»Es gibt keine Seiten. Es gibt nur eine Situation«, sagte er. Nathan der Rationalist. »Eine schrecklich traurige Situation.«
»Offenbar handelt es sich um eine Situation, in der du machen kannst, was du willst, während ich mich nur mit dir auseinandersetzen darf. Das heißt, außer wenn deine Freundin mich auf der Arbeit überfällt.«
»Sie hat Angst. Sie fürchtet, dass wir uns gegen sie verschwören.«
»Warum sollten wir das nicht tun?« Juliette ballte die Hände zu Fäusten. »Sie hat mit einem verheirateten Mann geschlafen. Sie hat ein Kind weggegeben. Ich bin ihr gar nichts schuldig.«
»Es tut mir leid, aber für mich stellt sich das nicht so einfach dar«, sagte Nathan. »Ich finde es einfach nicht richtig. Ich weiß, dass ich mich mies verhalten habe. Ich weiß, dass ich dir etwas Schlimmes angetan habe. Aber ich habe auch ihr etwas Schlimmes angetan.«
Nathan stand vor ihr, und sie sah Reue und Sehnsucht in seinen Augen – eine wehmütige Traurigkeit, die einer anderen galt.
25. Kapitel – Nathan
Im Schlafzimmer schaute Nathan seine Frau an, wartete auf ihr Urteil, wünschte, sie ließe sich besänftigen, obwohl er zugleich wusste, dass das bedeutete, auf ein Wunder zu hoffen: eine zweite Absolution.
»Raus.« Juliette hatte so leise gesprochen, dass Nathan sie beinahe nicht gehört hätte. »Mach, dass du rauskommst. Auf der Stelle.«
»Wie bitte?« Nathan tat so, als würde er nicht verstehen. Gott, es ging alles viel zu schnell, um es verarbeiten zu können, um sich zu überlegen, wie er es allen Beteiligten recht machen konnte. Er fühlte sich wie ein Prügelknabe, der von allen Seiten einstecken musste.
Juliette legte den Kopf schief und musterte ihn, ihre Augen funkelten vor Wut. Zum hundertsten Mal wünschte er, er könnte alles ungeschehen machen, was er getan hatte.
»Nathan, es ist zu spät, um Spielchen zu spielen.«
»Ich liebe dich, Jules, das weißt du.«
Sie sah ihm in die Augen. »Du liebst mich, du liebst mich. Ich weiß, dass du mich liebst. Aber darum geht es nicht. Ich weiß nicht mehr, was ich von dir halten soll. Du verteidigst sie mir gegenüber, verlangst von mir, dass ich Verständnis für sie aufbringe. Hast du überhaupt eine Ahnung, was das alles mit mir macht? Nach allem, was passiert ist, tust du es wieder. Du hast dieselbe Sünde begangen: mich außen vor zu lassen. Einmal mehr bin ich diejenige, die ausgeschlossen ist.«
Er sah, dass sie zitterte. Schweigend sah sie sich um, als könnte sie die Lösung irgendwo im Zimmer finden, dann ging sie zur Tür und öffnete sie demonstrativ.
Nathan machte einen Schritt auf sie zu. »Nein, nein. Du bist nicht ausgeschlossen. Mein Gott, du warst nie ausgeschlossen. Aber ich muss das mit ihr irgendwie in Ordnung bringen, bevor wir weitersehen können.«
Er legte ihr eine Hand auf die Schulter.
Sie schüttelte seine Hand ab. »Bitte nicht.«
»Ich dachte, wir würden das gemeinsam durchstehen.«
»Wenn dem so wäre, dann hättest du dich nicht heimlich mit ihr getroffen. Du hast eine Beziehung mit ihr, ob du sie vögelst oder nicht, und das hast du damit unter Beweis gestellt.« Juliette wandte sich ab, schnappte sich ihr Nachthemd und öffnete die Tür zum Bad.
»Bitte nicht«, sagte er und fragte sich im selben Moment, was er eigentlich damit gemeint hatte. Bitte nicht was? Meinte er: Verlass mich nicht? Geh nicht
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