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Das Banner des Roten Adlers

Das Banner des Roten Adlers

Titel: Das Banner des Roten Adlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Pullman
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darüber?«
»Er denkt, sein Cousin Otto von Schwartzberg könnte wohl dahinter stecken. Er hat
mir ein Foto von ihm gegeben ...«
    Jim kramte in seiner Westentasche und holte das Foto hervor. Darauf sah man eine
Gruppe Männer, darunter den Prinzen selbst, die in Trachtenjacken und Hüten mit
Federbusch und Gamsbart vor einer Jagdhütte
posierten, zu ihren Füßen eine
Strecke erlegten Wildes. Ein paar von den Männern trugen Jagdbüchsen. »Das da ist
Otto, der mit der Armbrust«, erklärte Jim und zeigte auf einen großen Mann mit
dunklen Augen, mächtigem Schnauzbart und einer langen Narbe auf der Wange.
Sein Blick war Furcht einflößend. »Er soll einmal einen Bären mit bloßen Händen
getötet haben. Er hatte das Bärenjunge erlegt, worauf die Mutter ihn angriff, ehe er
wieder schussbereit war. Er hat ihr den Unterkiefer fortgerissen und ihr mit einem
Stein das Hirn herausgeschlagen. Obwohl über und über mit Wunden bedeckt, stand
er da und lachte nur. Nach Rudolf ist er der Nächste in der Reihe der Thronanwärter.
Der Prinz fürchtet sich vor ihm, das ist offensichtlich. Aber ich weiß nicht, irgendwie
passt es nicht so recht zusammen.«
    »Ganz meine Meinung«,
sagte Goldberg.
»Man
politische Lage.
Irgendwann
wird
das
Land
von
schaue immer zuerst
auf
die
einer
der
beiden
Großmächte
    geschluckt werden und darum geht es bei der ganzen Sache, darauf kannst du Gift
nehmen. Und was den wilden Mann betrifft, der Bären den Kopf abreißt - nein, das
ist kein Bombenattentäter. Gib mir mal das Buch, auf dem deine Füße liegen. Das
teure mit dem schönen Einband.« Jim
nahm die Füße vom
Tisch
und reichte
Goldberg
das schmuddelige Verzeichnis, das sein Gegenüber meinte. Goldberg
blätterte darin und fuhr mit einem Finger eine Textspalte hinunter.
    »Da haben wir es«, sagte er. »Die Ausgabe ist nicht mehr die allerneuste, aber da
wir es nicht mit einer Demokratie zu tun haben, werden bestimmt noch dieselben
Männer im Amt sein.«
    Er legte das Buch beiseite. Jim kratzte seine Deutschkenntnisse zusammen und las
die kurze Beschreibung des Königreichs Raskawien, die Namen und Residenzen des
Königs,
des
Kronprinzen
und
Prinz Rudolfs,
ferner
die Namen
verschiedener
Amtsträger wie des Kanzlers, des Oberbürgermeisters von Eschtenburg, des Bergwerkinspektors, des Polizeichefs
und so weiter.
»Und euer Prinz ist
nicht
der
Nächste in der Erbfolge?«, fragte Goldberg.
    »Nein. Das ist sein älterer Bruder Wilhelm. Der ist zwar verheiratet, aber die Ehe ist
ohne Kinder geblieben. Daher wird nach ihm Prinz Rudolf als Thronfolger an die
Reihe kommen. Aber um es einmal deutlich zu sagen, Dan, wen würdest du denn für
fähig halten, eine Bombe in Prinz Rudolfs Kutsche zu deponieren. Auf wen sollte ich
ein Auge werfen?«
    »Ja, also den Bärenbeißer Schwartzberg kannst du außer Acht lassen. Der mag als
menschliche Spezies interessant sein, aber nicht politisch. Der ist es sicherlich nicht.
Da muss jemand im Hintergrund eine Krise schüren, damit Fürst Bismarck in Berlin
oder Kaiser Franz-Josef in Wien einen Vorwand erhalten, Truppen zu entsenden und
das Land zu annektieren. Wenn es so weit käme, würde sich eigentlich nicht viel
ändern. Der König bekommt einen Herzogtitel, behält aber sein Schloss und seine
Jagdhütte; Otto von Schwartzberg darf weiterhin Tiere in Stücke reißen; aber das
ganze Nickel aus den Bergwerken wird auf einer eigens angelegten Eisenbahnlinie
aus dem Land geschafft. Ich tippe auf Deutschland. Das Nickel wird bei Krupp in
Essen landen.«
    »Na, du bist mir vielleicht ein Optimist.« »Realist, mein Lieber. Dass ich immer
richtig liege, ist der Grund für meine gute Laune. Möchtest du das Buch mitnehmen?
Ich brauche es nicht in Chicago. Da fällt mir ein, ich kenne eine kleine Anekdote über
Eschten-burg, die Hauptstadt von Raskawien. Die Gassen sind dort so alt und eng
und verwinkelt, dass sie keine Namen tragen. Die Häuser sind auch nicht in der
Reihenfolge, in der sie stehen, nummeriert, sondern nach dem Zeitpunkt, zu dem sie
gebaut wurden. Deshalb steht Nummer drei neben Nummer sechsundvierzig und so
weiter. Eines Tages kam der Teufel in die Stadt und fand nicht mehr heraus. Was so
viel
bedeutet, dass er
immer
noch
dort ist. Ich glaube, ich fahre lieber nach
Chicago.«
    Vor ein oder zwei Jahren hatte Jim eine irische Jugendbande aus Lambeth kennen
gelernt. Es war ein schmutziger, unflätiger Haufen, aber im Kampf kam ihnen im
Hinblick auf List und Zähigkeit keiner gleich. Wenn man

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