Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Beben

Titel: Das Beben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Mosebach
Vom Netzwerk:
gleich«, sagte Iris, und mir war, als sei sie boshaft, »sie telephoniert.«
    Vergeblich, wie ich wußte, Mobiltelephone hatten hier oben in der Landschaft des Monsun-Palastes keinen Empfang. Die Prinzessin trug zwar ein mobiles Telephon in der Hand, aber gleichsam als Hoheitszeichen, benutzen konnte sie es, wie sie selbst am allerbesten wußte, erst wieder im Tal von Sanchor.
    »Wir haben deine Freundin im Alten Fort kennengelernt, plötzlich stand sie vor uns und fragte nach dir.«
    Manon hatte eine Irrfahrt hinter sich, an der sie selbst schuld war. Ich hatte ihr den Weg genau beschrieben, aber sie hatte davon nur »Sanchor« und »Palast« behalten. Purhotis Sohn hatte den Taxifahrer, mit dem Manon angekommen war, weggeschickt. Wo sie aufgebrochen war, habe ich vergessen zu fragen, ich nehme an, aus einem der luxuriösen Schloßhotels, die den König dazu veranlaßten, für seinen Staat ähnliches zu erwägen. Vorgefahren war sie im Wagen des Königs aus der Garage. Vom Monarchen benutzt wurde immer ja nur der Jeep. Ich war überrascht, diesen Jüngling in königlichen Diensten zu sehen.
    »Wieso? Er hilft mir mehr als sein Vater«, sagte Iris, als errate sie meine Gedanken aus meinen verblüfften Blicken. Die Wagentür öffnete sich. Manons langes Bein sah heraus, dann das zweite. Sie trug einen khakifarbenen, blusigen, in Taille und Knöchel aber engen Seidenoverall, von weitem sah sie wie eine Großwildjägerin darin aus, aber ein hauchzartes Gespinst, eine »Leheria«, wie ich gelernt hatte, umfloß sie und bedeckte auch ihren Hinterkopf. Zum Einkaufen von »Stoffen und Steinen« war offenbar schon Gelegenheit gewesen. Schmuck war zum Glück nicht viel zu sehen, vielleicht war sie auch gewarnt worden. Auf dem Weg zum Monsun-Palast gab es Straßenräuber, die ein einzelnes Auto gern zum Halten zwangen.
    Prinzessin Karōna Devi trat in die Mitte des Portals. Manon ging ihr entgegen, in der Hand gleichfalls das gebietende Zeichen des funktionslosen Mobiltelephons. Es war ein offizieller Empfang. Ich hatte mich gefragt, ob ich Manon umarmen und küssen dürfe oder solle, ob sie von mir geküßt zu werden wünsche und ob ein solcher Kuß nicht vieles vorwegnehme, was erst geklärt zu werden hätte, aber ich war in diesem Augenblick jeder Intimität enthoben. Unter den Augen von Karōna Devi, Iris und dem brahmanischen Kommunisten hätte ich sie ungern geküßt. Ihre Miene war derart freundlich und zugleich kühl, daß eine Umarmung wie eine Belästigung ausgesehen hätte, so sah ich das jetzt. Statt dessen ging es in den großen Salon. Karōna Devi ließ Tee und salzigen Zitronensaft anbieten. Sie kam mir unversehens viel weniger schüchtern vor. Die große Frau mit dem eleganten, durchaus ein wenig schweren Körper, vielleicht vor allem auch der Schleier, flößte Karōna Devi Vertrauen ein. Wir saßen in der durchgesessenen rosafarbenen Sophalandschaft weit voneinander entfernt.
    »Ich gratuliere dir«, sagte Iris leise, »so ähnlich habe ich mir deine Liaison vorgestellt. Jimmy hatte mal eine solche Liebe: seufzte und bellte Tag und Nacht auf ihrer Schwelle und wollte sich dort entleiben, aber sie war Jungfrau, hoheitsvoll, ohne ihn allerdings von der Kette zu lassen.« Jünger und dünner sei die Person gewesen, aber es sei dies Desaster schließlich auch schon eine Weile her.
    Mir war es nicht angenehm, mit Iris diese gedämpfte Spezialkonversation zu führen, während Manon mit Karōna Devi sprach und Purhotis Sohn mich stechend im Auge behielt. Iris mochte Manon nicht und machte sich den Spaß, mich ein wenig zu quälen.
    Es dauerte gewiß eine Stunde, in der ich von Manon nur gelegentlich einen dunklen, fremden Blick erlangte. Dann waren wir endlich allein. Virah hatte einen halben Eimer heißes Wasser ins Badezimmer gestellt. Ich erklärte ihr, wie es hier mit dem Wasser stehe, und zeigte ihr die zerdellte Messingschale, mit der man sich das Wasser über den Körper goß. Sie ging schweigend durch die Zimmer, öffnete die bunt verglasten Flügeltüren und blickte in den leeren Saal, der von dem schönen, kühlen, grauen Licht aus den Fensterluken unterm Dach erfüllt war wie von weichem Wasser. Über ihr Bett war jetzt eine rotseidene, vor Alter ganz in sich zusammengesunkene, dünne Steppdecke gebreitet. Auf drei Kofferböcken – reich war das Haus an solch altertümlichen Hotelgerätschaften – lagen ihre Koffer. Sie öffnete sie nicht. Wir betraten mein Schlafzimmer.
    »Hier schläfst du? Und wo

Weitere Kostenlose Bücher