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Das Beben

Titel: Das Beben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Mosebach
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dunklen Ecke hielten sie an. Der Meister machte Licht und schob dann Manons Rock hinauf, so daß wieder das weiche, aus den Spitzen hervorquellende Fleisch zu sehen war, das unter seinen mit flacher Hand ausgeteilten, leise klatschenden Schlägen erzitterte.
    »Männer sind etwas Unbegreifliches«, sagte Manon. Aus dem Dunkel hätten sich Schatten gelöst, bis das Auto rings von Männern umgeben war, die ins erleuchtete Innere blickten, mit von Schlagschatten verzerrten Gesichtern. »Sie machten ihre Hosenlätze auf und guckten auf meine Strümpfe und rubbelten an sich herum.«
    »Hattest du keine Angst?«
    »Nein, Angst wenig, es war eine Spannung, wie wenn der Zahnarzt den Mund sorgfältig untersucht und man darauf wartet, daß der Draht plötzlich eine wehe Stelle berührt.« Sie habe nicht gewußt, wie lange das alles dauern solle. Der Meister forderte sie auf, im Sitz etwas nach vorn zu rutschen und die Beine weiter zu spreizen. Mit der mageren Künstlerhand hielt er ihren Rocksaum fest, damit die Einsicht der Umstehenden nicht behindert war.
    »Er wollte das so.«
    »War dir das nicht widerwärtig?«
    »Nein, wieso? Es war ja eine Glasscheibe dazwischen. Und außerdem – als bei den Herren aus dem Gebüsch dann schließlich die Milch überkochte, waren sie ganz schnell wieder weg.«
    Der Meister sprach mit Tofet französisch. Daß der auch noch da war, hatte sie ganz vergessen.
    »A-t-elle pris son pied?« fragte Tofet. Der Meister sah sie unruhig und prüfend an.
    »Was sollte das denn heißen?« fragte ich mit wachsender Entrüstung. »Wahrscheinlich etwas Unanständiges«, antwortete Manon mit kindlich-vergnügtem Lächeln. Der Meister und Tofet hätten stets unanständige Unterhaltungen gehabt. Sie hätten über Sachen gesprochen, von denen sie nicht die blasseste Ahnung habe. Ich sah sie an und fühlte wieder die Liebe zu ihr aufsteigen, die meine Zunge lähmte und die Augen unversehens feucht werden ließ, und hoffte, daß die Tränentröpfchen die Augen nur glänzend erscheinen ließen.
    »Sie ist keusch«, dachte ich mit einer Andacht, die sich des Makels bewußt war, selbst leider nicht keusch zu sein.
    »Ein fürchterlicher Mann, ohne Gefühl, ohne Takt, in allem verdorben«, sagte Manon, deren Gedanken abschweiften. Mein zustimmendes Nicken mit eindringlicher Miene bekam sie gar nicht mit. Ich hütete mich davor, ein Wort zu sagen. Natürlich wollte ich sie in ihrer Abneigung gegen den Meister bestärken, aber meine Neugier auf ihre Geständnisse war noch größer.
    Sie habe einen schönen Schal besessen, sagte sie leise und voll Trauer, und ich meinte mich an den bettlakengroßen Kaschmirschal zu erinnern, den sie hinter sich hergeschleift hatte, als ich ihr zum erstenmal begegnete. Von diesem Schal sprach sie mit einer Zärtlichkeit wie von einem Kind – ja, gewiß, es gab eine Überfülle von hübschen, eleganten und sogar gelegentlich schönen Sachen in ihrem Leben, aber diesen einen Schal hatte sie auserkoren, sie hatte ihn geliebt und liebte ihn jetzt immer noch mit der ganzen Kraft ihres Herzens. Das hatte sie nicht daran hindern können, ihn liegenzulassen, im Auto von Tofet war er, der Vielgeliebte, achtlos vergessen worden, und selbst Tofet, der sonst jedes Detail im Auge behielt, hatte ihn übersehen. Als sie jedenfalls nach ihrem Schal forschte – »Er ist alt«, bemerkte sie beiläufig, was in diesem Zusammenhang aber »antik« bedeuten sollte –, stellten Tofet und der Meister sich ahnungslos. Der Meister sah ihr sogar zu, wie sie Restaurants und Hotels anrief und nach dem Schal fahndete, ohne daß seine Miene irgend etwas verraten hätte. Und dann, Wochen später, sah sie im Fernsehen den Meister und seine Frau bei Eröffnung eines golden überkuppelten und mit bunten zerschlagenen Kacheln geschmückten Heizkraftwerks in Niederösterreich. Glaubte man Manon, war die Frau des Meisters eines der abstoßendsten Lebewesen unter der Sonne; nun, aus solchen Schmähungen kann man sich kein Bild machen, es gibt hundert Arten, abstoßend zu sein. Aber was sie mir lebhaft vor Augen stellte, war die Hilflosigkeit, mit der Madame, eine Belgierin mit vietnamesischer Mutter, wahrscheinlich also sehr hübsch, Manons Schal umgewickelt hatte. Diese Kuh wisse natürlich nicht, wie man einen solchen Schal zu tragen habe, sagte Manon, und die Verachtung spendete ihr sichtlich ein wenig Trost.

7.
Wie entsteht Literatur?
    »Worüber hast du dich eigentlich mit ihr unterhalten?« Ich weiß nicht,

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