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Das Beil von Wandsbek

Das Beil von Wandsbek

Titel: Das Beil von Wandsbek Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnold Zweig
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blickte, wie von Herrn Fooths Vertraulichkeit peinlich berührt, zu den Sternen empor, die matt durch Dünste schimmerten. Unsere Annette! Jedoch – hatte Herr Footh nicht das Recht dazu? War er nicht jederzeit bereit, als geachteter Schwiegersohn der Familie beizutreten? Es ging nicht an, Hühnchen essen zu wollen und sich vor dem Schlachten und Rupfen zu drücken. »Wo aber bleibt Ihr Telephongespräch, lieber Footh?« fragte er dennoch wenigstens, um dem Gastfreund eine kleine Verlegenheit zu bereiten. – »Begreife ich nicht«, beteuerte Herr Footh, »es müßte längst gekommen sein. Haben Sie denn durchbestellt?« – Betroffen warf Herr Koldewey die Zigarrenasche auf sein schwarzes Beinkleid. »Du liebes Bißchen von Helgoland!« rief er aus. »Das hab ich, bei Gott, vergessen.« – Damit erhob er sich von der Bank, auf der sie seit einigen Minuten saßen, um die Damen zu erwarten. »Mir klingt mein linkes Ohr«, meinte Herr Footh und hielt ihn zurück, »sollte mich nicht wundern, wenn Annettchen das nicht eben besorgt hätte. Sie ist so gescheit und fühlt sich so ein.« – »Im Haus bekommen wir einen kühlen Kognak«, beeilte sich Herr Koldewey hinzuzufügen. »Übrigens«, damit lehnte sich Herr Footh zurück, seinen rechten Lackschuh auf dem Knie des linken Beines ruhen lassend, »übrigens ist jetzt heraus, warum die hier Vergessenen jetzt so dringlich expediert werden müssen. Der Führer ärgert sich über Hamburg. Die Hochbrücke über die Unterelbe kleckt und fleckt nicht. Das Gutachten der Geologen hat er an die Wand geschmissen. Seiner Meinung nach wollen die Arbeiter nicht. Ihr Badestrand in Finkenwärder liegt ihnen näher als der Wunsch Adolf Hitlers, eines Künstlers und Führers. Eine Hängebrücke, wie über das Goldene Tor, als Symbol der Kraft und Herrlichkeit des neuen Deutschen Reiches. Und das schmeckt der Bande nicht. Ist ihr wurst, ob die Reisenden aus aller Welt sich gewissermaßen ducken müssen, wenn sie drunter wegfahren. Denken nur an sich,die Brüder. Da sollen sie denn einen Denkzettel abkriegen. Bleiben ja doch ihresgleichen, die vier Roten, auch wenn sich die Freien von den Eingesperrten durch die Arbeitsfront unterscheiden. Prolet hält zu Prolet. Wird sie wieder ein Halbjahr beschäftigen und zur Räson bringen, wenn hier in Fuhlsbüttel Köpfe rollen. Adolf Hitler, der kennt sie.« – Dr. Koldewey verzeichnete den unterdrückten Grimm, mit dem Herr Footh dies alles hervorbrachte. »Sind Sie nicht der Meinung, lieber Herr, daß wissenschaftliche Gutachten auch etwas bedeuten? Das Mündungsgebiet unseres alten Eridanus – Elbe – war doch Schlick und Ton von je. Meerlunge, glaube ich, nannte es Pytheas von Marseille, als er es 400 v. Chr. für die antike Welt entdeckte. Damals wurde bei uns noch massenhaft Bernstein angespült, von der gleichen Art wie der samländische, behaupten die Historiker. Aber ohne Felsen als Fundament wird sich die Elbbrücke kaum aus einer schönen Zeichnung in Wirklichkeit verwandeln, trotz Gußstahl und Nieten, Blohm und Voß.« – »Man hat Beton«, widersprach Herr Footh, »man fordert Senkkästen. Das Dritte Reich wird auch mit schwachem Untergrund fertig.« – »In der Politik bestimmt«, gab Herr Koldewey zu, »das haben wir erlebt. Und da kommt Annette. Eile mit Weile.« –
    In der Tat, sie huschte über den Rasen, einen silbernen Schal über den Schultern, »Papa ist schuld«, rief sie, »und Ihr Mann hat angerufen. Ist das nicht schön? Bist du zufrieden?« – Damit legte sie die Hand auf ihres Vaters Achsel, die andere aber streckte sie Herrn Footh hin, bezaubernd und begehrenswert in ihrer glücklichen Erregung. Würfel gefallen, erklang es auf lateinisch in Herrn Koldeweys inneren Bezirken. »Und jetzt hinein. Frau Doktor wartet schon beim Schnäpschen. Aus dem Radio quellen die köstlichsten Tangos, ihr müßt beide mit uns tanzen.«
II
    Koldeweys hatten der Abfahrt ihrer Gäste beigewohnt – Herr Footh nahm Frau Dr. Neumeier mit in die Stadt – und schritten jetzt langsam die Treppe empor. Der Mond warf seinen Scheindurch die Ostfenster; Haus und Umgebung lagen ganz still. »Hast du noch ein bißchen Zeit für mich?« fragte Herr Koldewey. – »Immer«, antwortete Annette. Darauf führte er sie bis ins Dachgeschoß, hob einen Schlüssel vom Haken, öffnete eine der Türen: den Hängeboden.
    Es roch in ihm nach warmem Holz und lang eingesperrter Luft – sommers ward er wenig benutzt; allerlei Gerät, Reisekoffer,

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