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Das Bernstein-Teleskop

Das Bernstein-Teleskop

Titel: Das Bernstein-Teleskop Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Pullman
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zu bedenken. »Wenn die Kröte sprechen könnte, wüssten wir mehr. Da sie aber nicht sprechen kann, werde ich sie nicht töten. Damit wären wir nämlich nur unseren eigenen Empfindungen gefolgt und hätten auf die Gefühle dieses armen Tiers keine Rücksicht genommen.«
    Sie gingen weiter. Schon bald erkannten sie an dem veränderten Geräusch ihrer Schritte, dass sich die Landschaft öffnete, obgleich der Nebel nur noch dichter geworden war. Pantalaimon verwandelte sich in einen Lemuren und riss die Augen so weit auf, wie er überhaupt nur konnte. Der Dæmon klammerte sich an Lyras Schulter, drückte sich in ihr nebelbenetztes Haar und schaute angestrengt um sich, ohne aber mehr zu erkennen als sie. Und dabei zitterte er ununterbrochen.
    Plötzlich hörten alle Wellenschlag, zwar nur leise, aber offensichtlich ganz in der Nähe. Die Libellen kehrten mit ihren Reitern zu den Kindern zurück, und Pantalaimon verkroch sich in Lyras Brust. Lyra und Will blieben auf dem schlammigen Pfad jetzt näher beieinander.
    Und dann standen sie am Ufer des Sees. Öliges, schaumtragendes Wasser lag vor ihnen, und nur gelegentlich brach sich eine Welle an den Kieseln.
    Der Pfad bog nach links ab und etwas weiter unten ragte eher wie eine Nebelgestalt und nicht wie ein fester Körper ein hölzerner Anlegesteg aus dem Wasser. Fäulnis nagte an den Pfählen und grüner Algenbelag bedeckte die Bretter, sonst gab es nichts zu sehen. Der Pfad endete, wo der Anlegesteg begann, und dahinter lag alles im Nebel.
    Lyras Tod, der alle bis hierher geführt hatte, verbeugte sich, trat in den Nebel und verschwand, ehe sie ihn fragen konnte, was nun zu tun sei.
    »Hört mal«, sagte Will.
    Vom unsichtbaren Wasser drang ein leises Geräusch heran: ein Knarren von Holz und ein regelmäßiges Klatschen. Will legte die Hand an die Messerscheide an seinem Gürtel und wagte sich vorsichtig über die modrigen Bretter voran, dicht gefolgt von Lyra. Die Libellen saßen auf den angefaulten Pfählen wie Wächterfiguren auf einem Wappen. Dann standen die Kinder am Ende des Stegs, schauten mit großen Augen in den Nebel und wischten sich immer wieder die Tröpfchen von den Wimpern. Das leise Knarren und Klatschen kam langsam immer näher.
    »Gehen wir nicht!«, flüsterte Pantalaimon.
    »Wir müssen aber«, flüsterte Lyra zurück.
    Sie schaute Will an. Sein hartes, grimmig-entschlossenes Gesicht sagte ihr, dass er nicht zurückschrecken würde. Die Gallivespier, Tialys auf Wills Schulter, Salmakia auf ihrer, wirkten ruhig und aufmerksam. An den Flügeln der Libellen hin gen Flüssigkeitströpfchen wie an Spinnweben, und die Insekten schlugen regelmäßig ihre Flügel, weil, so dachte Lyra, die Tröpfchen die Flügel beschweren mussten. Sie hoffte, dass es für die Libellen Futter im Land der Toten geben würde. Und dann tauchte plötzlich ein Boot auf.
    Es war ein alter, klappriger und modriger Kahn, und die Gestalt darin erschien über alle Vorstellung alt. Sie trug eine Kutte aus Sackleinen, die um die Hüften mit einem Strick zusammengebunden war. Krumm und gebeugt saß der Alte im Boot, hielt mit knochigen Händen die Rudergriffe und schaute aus feuchten, kalten Augen, die tief in den Falten grauer Haut lagen.
    Dann ließ der Mann ein Ruder los und griff mit krummer Hand nach dem Eisenring am Pfahl des Anlegestegs. Mit der anderen Hand bewegte er das Ruder so, dass das Boot längs zum Steg anlegte.
    Alles vollzog sich, ohne dass ein Wort gesprochen wurde. Will stieg als Erster ein, dann trat Lyra vor.
    Doch der Fährmann hob abweisend die Hand.
    »Der nicht«, sagte er barsch.
    »Wer?«
    »Der nicht.«
    Der Alte zeigte mit einem gelblichen Finger auf Pantalaimon, dessen rotbraune Wieselgestalt sogleich hermelinweiß wurde.
    »Aber er gehört zu mir!«, protestierte Lyra.
    »Wenn du mitkommen willst, muss der hier bleiben.«
    »Aber das geht nicht! Wir würden sterben!«
    »Ist es nicht genau das, was du willst?«
    Da wurde Lyra zum ersten Mal bewusst, was sie eigentlich tat und welch bittere Konsequenzen das mit sich brachte. Sie stand entgeistert und zitternd da und drückte ihren geliebten Dæmon so fest an sich, dass er vor Schmerz wimmerte.
    »Aber die anderen ... «, sagte Lyra hilflos und hielt dann inne: Es war nicht fair, darauf zu verweisen, dass die anderen drei sich von nichts trennen brauchten.
    Will beobachtete sie mit einiger Beklemmung. Da stand sie und blickte sich um, sah den See, die Anlegestelle, den Pfad, die schlammigen Pfützen, die

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