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Das Bernstein-Teleskop

Das Bernstein-Teleskop

Titel: Das Bernstein-Teleskop Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Pullman
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sich selbst und sie hasste die Tat, litt Qualen wegen Pan und mit ihm. Doch sie setzte ihn auf den kalten Pfad, löste seine Katzenkrallen von ihren Kleidern und weinte dabei ununterbrochen. Will schloss die Augen, Lyras Schluchzen zu hören brach ihm fast das Herz. Wieder und wieder schob sie ihren Dæmon zurück, und immer noch miaute er und versuchte sich an sie zu hängen.
    Lyra konnte immer noch umkehren.
    Sie konnte einfach sagen: Nein, das ist eine schlechte Idee, das dürfen wir nicht tun.
    Sie konnte zu der innigen, lebenslangen Bindung mit ihrem Pantalaimon stehen, sie konnte das an erste Stelle setzen, sie konnte alles andere aus ihrem Kopf verbannen
    Nein, gerade das konnte das Mädchen nicht.
    »Pan, was ich jetzt tue, hat bisher noch niemand getan«, flüsterte sie zitternd. »Aber Will sagt, wir kommen zurück. Pan, ich habe dich ja so lieb und ich schwöre dir, wir kommen zurück - pass auf dich auf, mein Bester - du bist hier sicher - wir kehren zurück und wenn ich jede Minute meines Lebens darauf verwenden müsste, dich wieder zu finden. Ich würde nicht eher ruhen, bis - oh, Pan, mein guter Pan - ich muss, ich muss einfach ... «
    Und damit schob Lyra ihn fort, und er blieb verängstigt und verzweifelt am öden Ufer sitzen.
    Was für ein Tier Pan jetzt war, konnte Will kaum sagen. Der Dæmon erschien ganz klein und jung, vielleicht ein Bärenjunges oder ein Welpe, ein hilfloses, misshandeltes Wesen, ein so unglückliches Geschöpf, dass es nur noch als ein Häuflein Elend zu bezeichnen war. Pan schaute unverwandt in Lyras Gesicht, und Will sah, dass auch sie sich dazu zwang, nicht den Blick abzuwenden, nicht ihre Schuld zu verleugnen, und er bewunderte sie für ihre Aufrichtigkeit und ihren Mut. Zugleich litt der Junge aber auch unter der Qual ihrer Trennung. So starke Gefühle verbanden Lyra und Pan, dass die Luft sich elektrisch aufgeladen anfühlte.
    Und Pantalaimon fragte nicht, warum Lyra ihm das antat, denn er wusste es ja. Er fragte auch nicht, ob Lyra Roger mehr liebte als ihn, denn auch darauf kannte er die Antwort.
    Schließlich wusste Pan, dass sie ihm nichts hätte abschlagen können; deswegen schwieg der Dæmon, um den Menschen, der ihn verließ, nicht noch unglücklicher zu machen. Und nun taten beide so, als litten sie keine Qualen, als würden sie bald wieder vereint sein und als ob alles nur zu ihrem Besten geschehe. Doch Will begriff, dass das Mädchen sich selbst damit das Herz aus dem Leib riss.
    Dann stieg Lyra ins Boot. So leicht war sie, dass der Kahn kaum schaukelte. Sie setzte sich neben Will, ohne dass sich ihr Blick von dem am Ufer zurückgebliebenen Pantalaimon löste. Als der Fährmann den Eisenring losließ und beide Ruder ins Wasser tauchte, um vom Ufer wegzurudern, tapste der kleine Hunde-Dæmon hilflos bis zum äußersten Ende des Stegs und schaute sehnsüchtig dem Boot hinterher. Nach und nach verschwamm die Anlegestelle im Nebel, bis sie ganz verschwunden war.
    Da tat Lyra einen so herzzerreißenden Schrei, dass sogar in dieser Nebelwelt ein Echo antwortete. Doch selbstverständlich war es kein wirkliches Echo, sondern die andere Hälfte ihres Schreis aus dem Land der Lebenden, denn Lyra befand sich ja nun endgültig auf dem Weg ins Land der Toten.
    »Mein Herz, Will ... «, stöhnte sie und klammerte sich an ihn. Ihr schmerzverzerrtes Gesicht glänzte nass von Tränen.
    Und so erfüllte sich die Weissagung, die der Rektor von Jor dan College gegenüber dem Bibliothekar gemacht hatte, dass Lyra einen großen Verrat begehen und schrecklich darunter leiden würde.
    Doch auch Will fühlte sich beklommen, und dieses Gefühl verstärkte sich noch, als er sah, wie sich die beiden Gallivespier genauso aneinander klammerten wie er und Lyra und also die gleichen Qualen leiden mussten.
    Den Übergang spürte man körperlich. Er hatte das Gefühl, als griffe eine eiserne Hand nach seinem Herzen und risse es zwischen den Rippen heraus. Instinktiv versuchte Will, schützend die Hände vor die Brust zu halten. Die Qualen waren schlimmer und gingen tiefer als der Schmerz, den er nach dem Verlust zweier Finger verspürt hatte. Aber der Wandel vollzog sich auch geistig. Etwas Geheimes und Eigenes war gegen Wills Absicht ans Licht gezerrt worden, worüber er Schmerz, Scham und Angst empfand, weil er selbst die Ursache dieser Entblößung war.
    Und es kam noch schlimmer. Ihm erschien es plötzlich so, als ob er gesagt hätte: »Nein, tötet nicht mich, ich habe Angst. Tötet lieber

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