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Das Bernstein-Teleskop

Das Bernstein-Teleskop

Titel: Das Bernstein-Teleskop Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Pullman
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Motte oder sonst was verwandelte. Aber seltsam«, sie fuhr sich unbewusst mit den Händen über den Kopf, wie um einen Zauber zu verscheuchen, »obwohl er jetzt nicht da ist, tut es nicht weh. Es geht mir gut, und ich weiß, dass es auch ihm gut geht.«
    »Die beiden sind wahrscheinlich zusammen«, meinte Will. 
    »Ja, muss wohl so sein.«
    Will stand plötzlich auf.
    »Sieh mal«, rief er, »da drüben ...«
    Er hatte die Hand über die Augen gelegt und den Arm ausgestreckt. Lyra folgte seinem Blick. In der Ferne rührte sich etwas. Deutlich hob die Bewegung sich vom Flimmern der heißen Luft ab.
    »Tiere?«, fragte Lyra zweifelnd.
    »Und hör mal!« Will hielt lauschend die Hand ans Ohr. Und jetzt, da er es gesagt hatte, vernahm sie es auch, ein fernes, leises Rumpeln, fast wie Donner.
    »Jetzt sind sie weg«, rief Will und zeigte in dieselbe Richtung. 
    Die dunklen Punkte, die sich in der Ferne bewegt hatten, waren tatsächlich verschwunden, doch das Rumpeln ging noch eine Zeit lang weiter. Dann wurde es plötzlich leiser. Die beiden Kinder starrten weiter dorthin, und auf einmal sahen sie die Punkte wieder. Kurz darauf wurde auch das Rumpeln wieder lauter.
    »Sie waren hinter einem Hügel«, sagte Will. »Kommen sie eigentlich näher?«
    »Schwer zu sagen. Doch, jetzt machen sie eine Kurve. Sie kommen in unsere Richtung.«
    »Wenn wir gegen sie kämpfen müssen, will ich zuerst etwas trinken.« Will stieg mit dem Rucksack zum Bach hinunter, trank in tiefen Zügen und wusch sich das Gesicht. Seine Wunde hatte stark geblutet. Alles an ihm war dreckig. Er sehnte sich nach einer heißen Dusche mit viel Seife und nach sauberen Kleidern.
    Lyra beobachtete weiter die ... wer immer sie waren. Die Wesen boten jedenfalls einen seltsamen Anblick.
    »Will«, rief sie. »Die fahren auf Rädern ...«
    Das Mädchen klang verunsichert. Will stieg den Hügel wieder ein Stück hinauf und spähte über die Ebene. Man konnte jetzt Einzelheiten erkennen. Die Gruppe oder Herde oder Bande hatte ein rundes Dutzend Mitglieder, die, wie Lyra gesagt hatte, auf Rädern rollten. Sie glichen einer Kreuzung zwischen Antilope und Motorrad und, noch merkwürdiger, sie besaßen Rüssel wie kleine Elefanten.
    Und sie hielten zielbewusst auf Will und Lyra zu. Will nahm das Messer in die Hand, Lyra setzte sich neben ihn ins Gras und drehte eifrig an den Zeigern des Alethiometers.
    Die Wesen waren noch ein paar hundert Meter entfernt. Die Nadel fuhr nach links, nach rechts, wieder nach links und noch einmal nach links, und Lyra tastete in Gedanken nach der Bedeutung der Bilder und umkreiste sie leicht wie ein Vogel.
    »Diese Tiere sind unsere Freunde«, sagte sie schließlich. »Wir haben von ihnen nichts zu befürchten, Will. Sie kommen wegen uns und wissen, dass wir hier sind. Und ... das ist ja seltsam, das verstehe ich nicht ... Dr. Malone?«
    Lyra murmelte den Namen mehr zu sich selbst, weil sie nicht glauben konnte, dass Dr. Malone sich in dieser Welt auf hielt. Allerdings ließ das Alethiometer an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig, auch wenn es natürlich keinen Namen nennen konnte. Lyra steckte das Gerät ein, stand langsam auf und trat neben Will.
    »Ich denke, wir sollten ihnen entgegengehen«, sagte sie. »Sie tun uns nichts.«
    Die Wesen waren stehen geblieben, und nur ihr Anführer fuhr mit erhobenem Rüssel noch ein paar Meter weiter. Die Kinder sahen, wie er sich fortbewegte. Er schob sich mit seinen seitlichen Beinen an. Einige der Wesen rollten zum Teich und tranken, andere warteten, allerdings nicht mit der apathischen Neugier von Kühen, die sich an einem Gatter versammeln. Es handelte sich hier um mit Intelligenz und Willen begabte Individuen, um Wesen wie Menschen.
    Will und Lyra stiegen den Hügel hinunter, bis sie so nahe vor ihnen standen, dass sie mit ihnen sprechen konnten. Will hielt trotz Lyras beruhigender Auskunft das Messer in der Hand.
    »Ich weiß nicht, ob ihr mich versteht«, begann Lyra vorsichtig. »Aber ich weiß, dass ihr unsere Freunde seid. Vielleicht sollten wir -« 
    Der Anführer hob den Rüssel. »Kommt mit zu Mary«, sagte er. »Steigt auf. Wir tragen euch. Kommt mit zu Mary.«
    »Ah!«, rief Lyra. Sie sah Will an und lachte strahlend. Zwei der Wesen trugen Zügel und Steigbügel aus geflochtenen Schnüren. Sättel fehlten, doch saß es sich auf den rautenförmigen Rücken auch ohne sie einigermaßen bequem. Lyra war schon auf einem Bären geritten und Will Fahrrad gefahren, doch keiner der

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