Das Bernstein-Teleskop
so, als ob wir nach ihnen suchten, und schauen an den unmöglichsten Plätzen nach.«
Jetzt wurde ein Spiel daraus. Sie kamen an einen Teich, wo sie im Schilf und im Schlamm nach ihnen suchten. Dazu erörterten die beiden laut die Frage, ob sich die Dæmonen in Frösche, Wasserkäfer oder Schnecken verwandelt haben könnten. Die Kinder schälten die Borke eines vor langer Zeit umgestürzten Baums ab und behaupteten, sie hätten gesehen, wie die beiden Dæmonen in Gestalt von Ohrwürmern darunter gekrabbelt seien. Lyra veranstaltete ein großes Geschrei wegen einer Ameise, auf die sie angeblich getreten war, bejammerte die Verletzungen des armen Tierchens und behauptete, die Ähnlichkeit mit Pan, vor allem im Gesicht, sei ganz frappant. Dann fragte sie sich bekümmert, warum das Insekt sich weigere, mit ihr zu sprechen.
Als sie die Dæmonen aber außer Hörweite wusste, beugte sie sich zu Will und sagte leise:
»Wir mussten sie doch zurücklassen. Wir hatten keine andere Wahl, nicht wahr?«
»Ja, das mussten wir. Für dich war es schlimmer als für mich, aber uns blieb keine andere Wahl. Du hattest Roger ein Versprechen gegeben und musstest es halten.«
»Und du musstest noch einmal mit deinem Vater sprechen ...«
»Und wir mussten alle Geister hinauslassen.«
Ja. Ich bin ja so froh, dass wir das getan haben. Und Pan wird sich auch freuen, nämlich an dem Tag, an dem ich sterbe. Wir werden dann nicht getrennt werden. Da haben wir wirklich etwas Gutes getan.«
Je höher die Sonne am Himmel stieg, desto wärmer wurde es, und sie hielten Ausschau nach einem schattigen Platz. Gegen Mittag stiegen sie einen Berghang hinauf. Als sie oben angekommen waren, ließ Lyra sich ins Gras fallen und sagte: »Wenn wir nicht bald etwas Schattiges finden ... «
Auf der anderen Seite des Berges erstreckte sich ein Tal mit dichtem Gebüsch, wo sie einen Bach vermuteten. Sie stiegen wieder abwärts bis zum Talanfang und tatsächlich sprudelte dort zwischen Farn und Schilf eine Quelle aus dem Fels. Sie tauchten ihre heißen Gesichter ins Wasser und tranken dankbar von dem kühlen Nass. Dann folgten sie dem Bach, der in seinem Verlauf kleine Strudel bildete und stetig an Umfang zunehmend über kleine Steinterrassen schnellte. Will beobachtete die Schatten weiterhin aus den Augenwinkeln und sah, wie sie voransprangen, durch den Farn huschten und weiter unten im Gebüsch verschwanden. Schweigend zeigte er dorthin.
»Der Bach fließt langsamer«, erklärte er. »Er strömt nicht mehr so schnell wie an der Quelle, deshalb sammelt er sich in diesen Becken ... Sie stecken da drin«, flüsterte er und deutete auf eine Baumgruppe am Fuß des Berghangs.
Lyra spürte ihr Herz bis zum Hals klopfen. Sie und Will wechselten einen merkwürdig ernsten und bedeutungsvollen Blick, ehe sie dem Bach weiter folgten. Das Gebüsch wurde talwärts immer dichter. Der Bach strömte durch Tunnel aus grüner Vegetation, tauchte im Halbschatten wieder auf, sprang über Felsplatten und verschwand erneut im Grün. Wollten sie seine Spur nicht verlieren, mussten sie sich auf ihr Gehör genauso verlassen wie auf ihre Augen.
Am Fuß des Berges lief der Bach in ein Wäldchen aus Bäumen mit silbern schimmernder Rinde.
Pater Gomez beobachtete alles von der Berghöhe aus. Er hatte keine Mühe gehabt, ihnen zu folgen. Anders, als Mary geglaubt hatte, barg die offene Savanne genügend Verstecke im hohen Gras und in verstreuten kleinen Dickichten aus Bäumen und Lacksträuchern. Die beiden Jugendlichen hatten zuvor viel Zeit darauf verwendet, überall Ausschau zu halten, so als ob sie glaubten, verfolgt zu werden. Er hatte deshalb Abstand halten müssen, doch je weiter der Vormittag voranschritt, desto mehr beschäftigten sich die beiden miteinander und beachteten die Landschaft kaum noch. Pater Gomez wollte tunlichst vermeiden, den Jungen zu verletzen. Er hatte einen Abscheu davor, unschuldiges Blut zu vergießen. Um sich sein Opfer zu sichern, musste er sich nahe genug an das Mädchen heranpirschen, um es deutlich vor sich zu sehen, und das hieß, er musste den beiden in den Wald folgen.
Ruhig und vorsichtig folgte der Pater dem Verlauf des Bachs. Sein Dæmon, der grün schillernde Käfer, flog über ihm und spürte in der Luft umher. Sein Sehvermögen war nicht so gut wie das des Geistlichen, aber dafür war sein Geruchssinn umso feiner und bald nahm er die Körperausdünstung der beiden jungen Leute deutlich wahr. Der Käfer eilte Gomez ein wenig
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