Das Bernstein-Teleskop
herausholen. Vielleicht könnten wir ihn retten.«
»Vielleicht. Wir könnten es versuchen.«
»Ja, das machen wir!«, rief das Mädchen begeistert. »Wir gehen gemeinsam hin. Genau das machen wir.«
Aber wenn uns niemand das Messer repariert, dachte Will, können wir gar nichts tun.
Sobald sich Will im Kopf klarer fühlte und sich auch sein Magen wieder beruhigt hatte, stand er auf und wandte sich an die kleinen Spione. Die beiden waren mit einem winzigen Apparat beschäftigt.
»Wer sind Sie?«, fragte er sie. »Und auf wessen Seite stehen Sie?«
Der Mann beendete, was er begonnen hatte, und schloss den hölzernen Kasten, der die Form eines Geigenkastens und die Größe einer Walnuss hatte. Deswegen antwortete die Frau.
»Wir sind Gallivespier. Ich bin Lady Salmakia, und mein Gefährte heißt Chevalier Tialys. Wir arbeiten im Auftrag von Lord Asriel als Spione.«
Sie stand, deutlich erkennbar im Mondlicht, auf einem Felsen wenige Schritte von Will und Lyra entfernt und zeigte eine entschiedene Miene. Sie trug einen weiten Rock aus einem silbernen Stoff, dazu ein ärmelloses grünes Oberteil, und ihre sporenbewehrten Füße waren, wie die des Mannes, nackt. Dieser trug eine Tracht in den gleichen Farben, doch hatte sein Oberteil lange Ärmel und seine weiten Hosen reichten ihm bis zu den Waden. Beide verbreiteten den Eindruck von Stärke, Gewandtheit, Stolz und Rücksichtslosigkeit.
»Aus welcher Welt kommen Sie?«, fragte Lyra. »Ich habe noch nie Leute wie Sie gesehen.«
»In unserer Welt gibt es die gleichen Probleme wie in eurer«, antwortete Tialys. »Wir sind Geächtete. Unser Führer, Lord Roke, erfuhr von Lord Asriels Revolte und sicherte ihm seine Unterstützung zu.«
»Und was wollen Sie mit mir machen?«
»Dich zu deinem Vater bringen«, sagte Lady Salmakia. »Lord Asriel hat eine Streitmacht unter der Führung von König Ogunwe zu deiner und des Jungen Rettung entsandt. Sie sollen euch beide in seine Festung bringen. Wir sind hier, um euch zu helfen.«
»Schön, aber angenommen, ich will nicht zu meinem Vater gehen. Angenommen ich hätte kein Vertrauen zu ihm.«
»Das höre ich nicht gern«, erwiderte die Lady, »aber wir haben unsere Befehle, nämlich dich zu ihm zu bringen.«
Bei der Vorstellung, dass diese Winzlinge sie zwingen wollten, konnte sich Lyra das Lachen nicht verkneifen. Das aber war ein Fehler. Mit einer plötzlichen Bewegung ergriff die Frau den mausgestaltigen Pantalaimon und drückte ihm die Spitze eines Sporns ans Bein. Lyra keuchte. Ihr erging es jetzt ähnlich wie damals in Bolvangar, als die Männer ihn ergriffen hatten. Niemand durfte den Dæmon eines anderen berühren - das galt als schwerer Tabubruch.
Dann aber sah sie, dass Will den Mann mit seiner ausschwingenden Rechten gepackt hatte und ihm so die Beine festhielt, dass dessen Sporen wirkungslos blieben. Er hielt ihn hoch in der Luft.
»Wieder ein Patt«, sagte die Lady ruhig. »Setz den Chevalier wieder auf den Boden, Junge.«
»Lassen Sie erst Lyras Dæmon los«, erwiderte Will. »Ich lasse nicht mit mir feilschen.«
Lyra stellte mit einem kalten Schauder fest, dass Will sich anschickte, den Kopf des Gallivespiers gegen den Felsen zu schmettern. Auch den beiden kleinen Wesen blieb darüber kein Zweifel.
Salmakia hob den Fuß von Pantalaimons Bein, und sogleich riss sich dieser los und verwandelte sich in eine fauchende Wildkatze mit gesträubtem Fell und hin und her schlagendem Schwanz. Er bleckte die Zähne keine Handbreit vor dem Gesicht der Lady, die ihn jedoch völlig gefasst anschaute. Nach einem Augenblick drehte er sich um und floh, nun in Gestalt eines Hermelins, an Lyras Brust. Will setzte Tialys vorsichtig wieder auf den Fels neben seine Gefährtin.
»Dir fehlt es an Respekt«, belehrte der Chevalier Lyra.
»Du bist ein gedankenloses, ungezogenes Mädchen, für das mehrere tapfere Männer heute Abend ihr Leben ließen. Nur um dich zu retten! Du hättest allen Grund, höflich zu sein.«
»Ja«, sagte sie demütig. »Es tut mir Leid. Ich werde mich bessern. Ehrlich.«
»Und was dich betrifft«, fuhr Tialys an Will gewandt fort.
Doch Will unterbrach ihn gleich: »Was mich betrifft, lasse ich so nicht mit mir reden, versuchen Sie es also erst gar nicht. Respekt gilt für beide Seiten. Nun hören Sie mir gut zu. Sie haben hier nichts zu sagen, sondern wir. Wenn Sie bleiben und uns helfen wollen, dann tun Sie das, was wir Ihnen sagen. Andernfalls kehren Sie jetzt zu Lord Asriel zurück. Und damit
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