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Das Bernsteinerbe

Das Bernsteinerbe

Titel: Das Bernsteinerbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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Kurfürst?« Ungläubig schaute Carlotta dem in der Ferne verschwundenen Trupp Reiter nach. Nun meinte sie sich zu erinnern, auf einem der Braunen tatsächlich die markante Nase und das schulterlange gelockte Haar des Herrschers erspäht zu haben. »Dann war der bärtige Rothaarige auf dem Fuchs neben ihm wohl sein Statthalter, Fürst Radziwill?«
    »Höchstpersönlich.« Pantzer zwinkerte ihr zu. »Oder habt Ihr je erlebt, dass der dem Kurfürsten von der Seite weicht, sobald Friedrich Wilhelm das Steindammer Tor durchquert hat? Schade nur für den Ärmsten, dass er beim Reiten im Sattel bleiben muss. Das macht ihm das Buckeln und Kriechen vor dem Brandenburger umso schwerer. Doch kommt, meine Teuerste, gehen wir in die Apotheke. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Ihr den weiten Weg auf Euch genommen habt, um mit mir im eisigen Wind den ungezogenen Bengeln vom Schloss hinterherzuschauen. Dazu hättet Ihr auch nicht Eure Wundarzttasche mitbringen müssen.«
    »Meint Ihr nicht, Ihr solltet Eure Zunge besser im Zaum halten?«
    Pantzer tat, als hörte er sie nicht. Besorgt folgte sie ihm ins Innere der Offizin. Geschäftig humpelte er voraus, stellte ihre Tasche auf einen Hocker und räumte beiläufig etwas vom Tresen. Das erregte Carlottas Aufmerksamkeit, und sie legte ihm die Finger auf die Hand, in der er eine braune Glasphiole verbarg.
    »Was habt Ihr da?« Geschickt entwendete sie ihm das Gefäß und betrachtete es. Es war eine Phiole mit einer trüben Flüssigkeit. Prüfend hielt sie sie gegen das Licht, das verschwenderisch durch die großen Fenster zur Straßenfront hereinfiel. »Ihr habt noch immer große Schmerzen, nicht wahr?«
    Als Pantzer auf ihren fragenden Blick hin nickte, entkorkte sie die Phiole. Bedächtig schnupperte sie daran, wedelte mit der Hand den Duft in ihre Nase. Der Geruch war schwer zu bestimmen. Rosenöl, Kampfer, Anis und Fenchel erkannte sie auf Anhieb. Der Rest schien ihr eine einzige bittere Wolke. Sie verzog das Gesicht und gab ihm das Gefäß zurück. »Ich dachte, Ihr hättet es aufgegeben, Euch selbst in Wundermitteln zu versuchen.«
    »Hm.« Die Art, wie er ihrem Blick auswich, sprach eine eindeutige Sprache.
    »Lasst mich schauen, wie es um Eure Narbe steht«, schlug sie vor. »Anschließend überlegen wir gemeinsam, was Euch Linderung verschaffen würde.«
    Sie schenkte ihm ein aufmunterndes Lächeln, doch er wich ihr aus. Wieder spürte sie die Unsicherheit, die sie in seiner Gegenwart in letzter Zeit öfter überkam.
    »Oder vertraut Ihr mir nun doch nicht mehr?« Sie suchte in seinem grobgeschnittenen Gesicht zu lesen. »Hat Christoph Euch darum gebeten?«
    Statt ihr zu antworten, beschäftigte Pantzer sich ausgiebig mit dem Inhalt einer Schublade und kramte wild darin herum. Erneut fragte sie sich, ob es wirklich eine gute Idee gewesen war, ihn aufzusuchen. Da schob er die Schublade zu, sortierte einige Papiere und spielte mit der Phiole zwischen den Fingern. In der riesigen Pranke wirkte sie winzig. Mehr als einmal hatte es den Anschein, sie würde ihm entgleiten. Schon hielt Carlotta den Atem an. Schlug das Glas auf dem gewachsten Holz des Tresens auf, würde es in tausend Splitter zerbersten. Das wäre schade um die Tinktur. Auch wenn sie die Zusammensetzung nicht erraten hatte, ahnte sie doch, welch kostbare Ingredienzien darin steckten.
    Als läse er ihre Gedanken, hielt Pantzer plötzlich inne, öffnete das Gefäß, warf den Kopf in den Nacken und schüttete die Tropfen hastig in den Mund. Sein heftiges Kopfschütteln und das angewiderte Gesicht verrieten ihr, wie bitter die Medizin schmecken musste. Mit einem abfälligen Blick verschloss er das Gefäß und stellte es beiseite. Mehrmals wischte er mit der Hand über den Mund, als gelte es, die Bitterkeit auf diese Weise zu vertreiben. Endlich sah er ihr in die Augen und lächelte verschmitzt. »Ihr irrt, wenn Ihr meint, ich wollte Euch wieder einmal ins Handwerk pfuschen. Nie wieder werde ich versuchen, auf eigene Faust Rezepturen zu erfinden. Gegen Euch und Eure Mutter bin ich in diesen Dingen ein echter Grünschnabel. Dabei bin ich nach dem frühen Tod meiner Mutter sozusagen im Laboratorium meines Vaters aufgewachsen, habe all die Kräuter, Tropfen und Salben statt Muttermilch in mich aufgesogen.«
    Erfüllt von der Erinnerung an vergangene Zeiten, blickte er in der engen Offizin umher. Anders als die meisten Apotheken, die Carlotta kannte, war Pantzers Offizin nicht sonderlich geräumig und wirkte auch nicht wohl

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