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Das Bernsteinerbe

Das Bernsteinerbe

Titel: Das Bernsteinerbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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schaltete sich Farenheid verärgert ein. »Das hat gar nichts mit dem zu tun, was sich um die kleine Grohnert zusammenbraut. Ihr könntet froh sein, wenn sie nur dem Kepler und seinem nichtsnutzigen Freund aus dem Löbenicht die Köpfe verdreht hätte.«
    »Worauf wollt Ihr hinaus?« Gellert und Boye wirkten ehrlich betroffen.
    »Mit einem Blaurock hält die kleine Grohnert es inzwischen«, sagte Farenheid ruhig. »Und das ganz offen und ungeniert.«
    »Was?« Wie gewohnt begriffsstutzig, schaute Boye ihn an, nahm die Brille vom Kopf, hauchte auf die Gläser und polierte sie anschließend mit dem Zipfel seines Schals, als verschaffte ihm das den erhofften Durchblick.
    Sogleich nutzte Gellert die Pause und hakte nach: »Mit einem Blaurock? Ihr meint doch nicht etwa, mit einem der kurfürstlichen Soldaten? Seid Ihr sicher? Bislang ist mir Magdalena Grohnert stets sehr loyal zu den Kneiphofern erschienen. Denkt nur an ihr Eintreten für die Witwe Ellwart im letzten Jahr. Auch von ihrer Tochter ist mir nie etwas anderes zu Ohren gekommen.«
    »War die Grohnert-Tochter nicht sogar diejenige, die im September die Sache mit den leeren Särgen zur Abschreckung von Friedrich Wilhelms Truppen vor dem Kneiphof eingefädelt hat? Warum hätte sie das tun sollen, wenn sie sich nicht mit Leib und Seele dem Kneiphof verschrieben hätte? Ich bin mir sicher, die beiden Grohnert-Damen fühlen sich ganz dem Königsberger Erbe verpflichtet.« Boye setzte die Brille wieder auf.
    Auch wenn seine Worte beruhigend klangen, so wusste Carlotta im selben Moment, dass sie rein gar nichts bewirkten. Im Gegenteil. Sie lieferten Farenheid nur weitere Munition, zu einem letzten, vernichtenden Schlag auszuholen.
    »Vielleicht solltet Ihr die Sache mit den Särgen nicht unbedingt von der Warte der Kneiphofer aus betrachten«, setzte er vorsichtig an. »Vielleicht ging es gar nicht darum, die Kurfürstlichen wegen der angeblichen Pest vom vorzeitigen Einmarsch abzuhalten.«
    »Sondern?« Boye nestelte bereits wieder an seinem Brillengestell herum.
    »Ihr meint«, schaltete sich Gellert beflissen ein, »es könnte auch ein Zeichen an Friedrich Wilhelm gewesen sein?«
    »Warum nicht?« Farenheid tat zwar, als hörte er diese Schlussfolgerung zum ersten Mal. Doch der Stolz, mit seinen Anspielungen das Erwünschte erreicht zu haben, war ihm anzusehen. »Wenn man es so betrachtet, gewinnt die Tatsache, dass die kleine Grohnert seither immer wieder im Umfeld der Blauröcke gesehen wird, ein ganz besonderes Gewicht.«
    Wie gern wäre Carlotta aus ihrem Versteck gestürzt und hätte ihn für seine Frechheiten geohrfeigt! Mühsam hielt sie sich zurück.
    »Ich erinnere mich.« Wieder stimmte Gellert als Erster zu. Sein flammend roter Bart leuchtete, der gelbliche Schimmer seiner Haut verblasste. »An besagtem Tag stand die kleine Grohnert gleich vorne in der ersten Reihe und hat Roths Verhaftung aus nächster Nähe mit angesehen.«
    Auch Carlotta wusste plötzlich wieder, dass sie ihn an jenem Tag ebenfalls vor Roths Haus gesehen hatte. Der rote Bart hatte aus der Menge herausgestochen.
    »Und nicht nur das«, fuhr Gellert wichtigtuerisch fort. »Bei der Gelegenheit hat sie auch lange mit einem der Dragoner gesprochen. Der junge Kepler hat zwar versucht, sie davon abzuhalten, doch es ist ihm nicht gelungen. Ganz verstört ist er anschließend allein in die Schmiedegasse zurückgekehrt.«
    »Ist das alles nicht reichlich unbedarft? Inmitten der Kneiphofer einen Kurfürstlichen anzusprechen, erfordert großen Mut«, wagte Boye einzuwerfen, doch die beiden anderen gingen nicht auf seine Zweifel ein. Verwirrt schüttelte er das Haupt.
    »Das Beste aber kommt noch«, drängte Farenheid sich von neuem in den Mittelpunkt. »Anfang November hat die kleine Grohnert dann auch noch in aller Öffentlichkeit mit einem der Dragoner auf der Schmiedebrücke herumgetändelt.«
    »Das ist nicht Euer Ernst!« Fassungslos schüttelten die Herren die Köpfe. »Am helllichten Tag?«
    »Wer hat sie dabei gesehen?«
    »Ich dachte, sie hegt Absichten bei dem jungen Kepler?«
    »Ja, in der Tat, so heißt es. Aber da ist der ehrwürdige Physicus wohl sehr dagegen.«
    »Umso schlimmer, wenn sie bei Derartigem beobachtet wird.«
    Boye schwankte nun doch, und Gellert fühlte sich in seinem Argwohn bestätigt. Auf Carlotta wirkten Farenheids Worte wie ein Schlag ins Gesicht. In ihrem Kopf arbeitete es fieberhaft. Natürlich stand ihr die besagte Begegnung gleich vor Augen, auch wenn sie bald

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