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Das Bernsteinerbe

Das Bernsteinerbe

Titel: Das Bernsteinerbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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sie, steckten allerdings gleich wieder die struppigen Köpfe zusammen und redeten weiter, als wären die beiden Frauen gar nicht vorhanden.
    »Einen wunderschönen guten Morgen, die Herren.« Aufgeräumt strahlte Magdalena die Männer an. »Wie aufmerksam von Euch, auch an meine Tochter und mich zu denken.« Mit dem Kinn wies sie auf die bereitgestellten Gedecke. Tromnau und Hohoff knurrten etwas Unverständliches, Thiesler dagegen schob stolz die Brust heraus.
    »Aber das ist doch eine Selbstverständlichkeit. Wenn ich bitten darf, Verehrteste.« Einladend wies er mit dem ausgestreckten Arm auf die Bank.
    »Habt vielen Dank.« Magdalena rutschte als Erste hinein, Carlotta folgte ihr. Schon ärgerte sie sich, nicht einen Hauch schneller als die Mutter gewesen zu sein. So setzte sich Thiesler direkt neben sie. Wie zufällig stieß sein Ellbogen mehrmals gegen ihren Arm, bis sie mit einem deutlichen Schnaufer von ihm abrückte. Magdalena quittierte das mit einem belustigten Augenaufschlag.
    »Habt Ihr Eure Fuhrleute gesprochen, wann wir aufbrechen?«, wandte sie sich direkt an die Löbenichter Kaufleute. Flüchtig nippte sie an dem Becher mit warmem Wein, den Blick fest auf Tromnau gerichtet. Widerwillig hob er den Kopf.
    »Noch nicht«, antwortete er.
    »Oh.« Magdalena lächelte ihn freundlich an, obwohl ihr sein Verhalten nicht recht sein konnte. »Habt Ihr Eure Pläne geändert? Wollt Ihr heute gar nicht mehr Frauenburg erreichen? Vielleicht kommen wir dann zumindest bis Heiligenbeil?«
    »Davon kann nicht die Rede sein.« Der Löbenichter Kaufmann gab sich weiterhin schroff.
    »Verzeiht«, schob Magdalena nach. »Ich will Euch nicht lästig fallen. Doch ich habe unsere Ankunft bei unseren Gastgebern in Frauenburg ursprünglich für heute Abend angekündigt. So hatten wir es gestern bei unserem Aufbruch aus dem Kneiphof vereinbart. Wenn das nicht möglich ist, schicke ich eine Nachricht, dass wir uns um einen oder gar zwei Tage verspäten. Sagt mir also, wann Ihr endlich von hier abzureisen gedenkt.«
    »Tut, was Ihr für richtig haltet.« Tromnau vermied eine genaue Antwort. Mit zunehmender Verärgerung hatte Carlotta das kurze Gespräch verfolgt. Sie warf die rotblonden Haare zurück und äugte mit ihren blauen Augen zwischen den beiden hin und her. Hatte die Mutter vergessen, wie dankbar sie sein sollten, so kurzfristig überhaupt aus Königsberg weggekommen zu sein? Sie musste des Wahnsinns sein, Tromnau Vorhaltungen zu machen. Gerade, als sie sich einmischen wollte, kam Hohoff ihr zuvor.
    »Schaut aus dem Fenster, Verehrteste, und seht selbst, dass es unmöglich ist, in absehbarer Zeit loszufahren. Seit dem Morgengrauen schneit es ohne Unterlass. Die Straßen sind unpassierbar. Selbst wenn wir wollten, kämen wir nicht weiter als bis zur Mündung des Frischings am Ende der Lischke. Unsere Wagen sind einfach zu schwer beladen. Kaum, dass wir zwei Häuser weit kutschiert sind, werden wir im Schlamm versinken. Selbst dem Postreiter wird es bei diesem Wetter nicht gelingen, seine Tagesetappe zu erreichen.«
    Er strich sich über die hellen Bartstoppeln, die Kinn und Wangen bedeckten. Die schmutzigen Finger deuteten darauf hin, dass er bereits draußen gewesen sein und nach seinem Fuhrwagen gesehen haben musste. Vielleicht hatte er gar dem Fuhrmann helfen wollen, die Pferde anzuschirren.
    »Gestern war das Wetter auch nicht besser«, entfuhr es Carlotta. »Trotzdem sind wir bis hierher gelangt.«
    »Obwohl man es bei guten Bedingungen an einem Tag leicht bis Heiligenbeil schaffen kann«, ergänzte Thiesler beflissen. Seine Wangen waren gerötet. Das rührte eher vom Trinken als vom Eifer. Der säuerliche Mundgeruch verriet, dass er trotz der frühen Stunde nicht mehr den ersten Becher Wein vor sich hatte.
    »Wenn Ihr so gut Bescheid wisst, solltet Ihr Euch am besten einen eigenen Wagen nehmen und ohne uns weiterreisen. Dann erreicht Ihr schneller Euer Ziel.«
    Tromnau brach sich ein Stück Brot vom Laib und steckte es achtlos in den Mund. Dabei entblößte er eine Reihe angefaulter Zahnstummel, was ihn nicht weiter zu stören schien. Gierig mahlten seine Kiefer das Brot zu Brei. Immer wieder rann ihm ein Tropfen Speichel aus dem Mund. Carlotta wunderte sich, dass ein angesehener Kaufmann wie er so wenig Wert auf sein Äußeres und angemessene Manieren legte. Wäre er im Kneiphof ansässig statt im Löbenicht, hätten ihn die Zunftgenossen längst zurechtgestutzt. Im Osten der Altstadt verhielt es sich offenbar

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