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Das Bernsteinerbe

Das Bernsteinerbe

Titel: Das Bernsteinerbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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jedoch hielt ihn unerbittlich fest. Magdalena fasste nach Mathias’ Hand. Zögernd trat Steutner zwei Schritte von der kleinen Gruppe zurück, zupfte an seinem zerschlissenen Rock und richtete sich den Hemdkragen. Inzwischen hatten sich auch Egloff und Breysig aus dem Kontor herübergetraut. Vorsichtig näherten sie sich ihrem Schreiberkollegen und klopften ihm für seinen heldenhaften Einsatz anerkennend auf die Schultern.
    Unterdessen kümmerte sich Carlotta um Christoph. Kaum war er von seinem Opfer weggetaumelt, hatte sie ihn aufgefangen. Um einen abermaligen Ausbruch zu verhindern, hatte sie die Arme fest um ihn geschlungen.
    »Liebster, bitte!«, flehte sie. »Mach dich nicht unglücklich. Es ist nicht so, wie du denkst.«
    »Ach? Was soll ich denn denken, wenn du Hand in Hand mit diesem Burschen die Treppe herunterspazierst?« Wütend sah er sie an. »Ganz zu schweigen von dem, was man sonst noch über euch beide hört.«
    Nichts auf seinem Antlitz erinnerte an die weichen Züge, die sie so gern mit den Fingern nachfuhr. Tief hatte sich die Kerbe am Kinn eingegraben. Die sonst so vollen Lippen waren erschreckend schmal.
    »Wie habe ich nur so blind sein können? Schließlich zerreißt sich bereits die halbe Stadt das Maul über euch. Du bist das Liebchen eines Kurfürstlichen! Am helllichten Tag scharwenzelst du mit dem Blaurock durch die Gassen, küsst und herzt ihn, als gäbe es keinen Anstand. Und ich lasse mich wie ein törichter Narr von dir an der Nase herumführen.«
    Er stieß sie von sich weg. Sie stolperte und fiel zu Boden. Verächtlich trat er mit dem Fuß nach. »Elende Soldatenhure! Schließlich habe ich es selbst gesehen, als du letztens dem Studenten geholfen hast. Gleich standen die Dragoner da und haben dir beigestanden. Trotzdem habe ich alter Esel nichts begriffen, habe mich stattdessen immer wieder von dir beschwatzen lassen.«
    Verzweifelt raufte er sich die Haare, hob den Blick gen Decke und hielt einen Moment inne. Als er Carlotta das Gesicht wieder zuwandte, entdeckte sie Tränen in seinen Augen.
    Leiser sprach er weiter: »Schließlich hat sogar mein bester Freund mit Engelszungen auf mich eingeredet, ich solle dich nicht aufgeben. Doch wer weiß, welch teuflischen Plan du mit ihm ausgeheckt hast? Wahrscheinlich hast du den armen Caspar Pantzer längst ebenfalls in Bann gelegt. Erst spielt ihr zwei mir vor, wie trefflich du seine Verletzungen versorgst, dann vergiftest du fast meinen Vater, nur um hinterher mir und meinen Eltern vorzugaukeln, du allein hättest ihn retten können. Und der arme Caspar Pantzer kann gar nicht anders, als wie ein sturer Hornochse zu tun, was immer du ihm sagst. Er merkt gar nicht, vor welch widerlichen Karren du ihn gespannt hast.«
    Voller Abscheu spuckte er zu Boden. Unwillkürlich drehte Carlotta sich zur Seite und fasste mit der Hand nach dem Bernstein.
    Plötzlich zerrte Christoph kräftig an der Schnur. Sie versuchte, den Stein in ihrer Faust zu verbergen. Schmerzhaft schnitt ihr die Lederschnur in den Hals. Patsch! Eine heftige Ohrfeige traf sie auf die Wange. Vor Schreck gab sie den Stein frei und sah entsetzt in Christophs wutverzerrtes Gesicht.
    »Nein!«, schrie sie und rappelte sich auf. »Gib mir meinen Stein zurück!«
    Sie reckte die Arme, sprang an ihm hoch. Vergebens. Unerreichbar für sie, hielt er den Stein bereits wie eine Trophäe hoch über den Kopf.
    »Schluss mit dem faulen Zauber!«
    Abermals stieß er sie beiseite und stürmte direkt auf das lodernde Herdfeuer zu. Carlotta torkelte, fing sich wieder und rannte ihm nach.
    »Nicht!«, kreischte sie und setzte zum Sprung nach vorn an. Christoph holte aus, sie fiel ihm in den Rücken, doch es nutzte nichts mehr. Mit voller Wucht schleuderte er den Bernstein ins Feuer.
    Gierig schnappten die Flammen danach. Es knisterte und knirschte. Sogleich rußte es heftig. Bald schon zog ein aromatischer, harziger Duft durch die Diele.
    »O Gott, welch Unglück!« Hedwig schlug sich die Hände vors Gesicht. Milla und Lina fielen einander schluchzend in die Arme. Magdalena verbarg ihr Gesicht an Helmbrechts Brust. Auch die drei Schreiber und Mathias starrten entsetzt zum Herd. Hell loderten die Flammen auf, umkreisten tanzend den Kessel. Es knackte mehrmals, dazwischen stiegen immer wieder schwarze Rußfahnen auf.
    Gebannt beobachtete Carlotta das Spiel der Flammen, außerstande, sich zu rühren. Die eiskalten Finger lagen auf ihrer Brust, dort, wo eben noch der Bernstein gehangen hatte.
    In der

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