Das Bernsteinerbe
und Schweden herausgekommen zu sein. Ganz zu schweigen, was uns im Norden von Litauen her noch erwarten mag. Nur gut, dass Friedrich Wilhelm das ändern will. Dazu aber braucht er freie Hand.«
»Recht habt Ihr!« Anerkennend prostete Hohoff ihm zu. »Dem ist nur zuzustimmen!« Der Amtshauptmann an einem der benachbarten Tische eilte, es ihm nachzutun. »Genau!«
»Der Kurfürst will uns voranbringen!«
Nach und nach hoben alle Männer im Schankraum die Krüge.
»Ihr habt recht«, merkte Carlotta mit einem spitzen Lächeln an. »So viel Glück, wie uns Königsbergern in den letzten Jahrzehnten beschieden war, ist nicht selbstverständlich. Umso vorausschauender ist es, sich auch jetzt wieder den aufstrebenden Mächten zuzuwenden, statt aus falscher Wehmut an alten Bündnissen festzuhalten. Autsch!«
Unter dem Tisch verpasste Magdalena ihr einen schmerzvollen Tritt gegen das Schienbein. Das focht sie nicht an.
»Die Zeit eines polnischen Johann Kasimir als Schutzherr der Königsberger ist ein für alle Mal vorbei. Friedrich Wilhelm von Preußen gehört die Zukunft. Wie vorausschauend von den Altstädtern und Löbenichtern, sich ihm vorbehaltlos entgegenzuwerfen!« Sie hob ihren Krug und prostete Tromnau zu. »Da wird es höchste Zeit, dass auch wir Kneiphofer das endlich begreifen. Die Zeit, die Roth bis Kolberg braucht, sollten wir nutzen, Eurem Kniefall vor dem Kurfürsten untertänigst nachzueifern.«
»Entschuldigt, meine Herren«, mischte sich Magdalena ein und lächelte die beiden Kaufleute einschmeichelnd an. »Meine Tochter hat letzte Nacht sehr schlecht geschlafen. Ich glaube, sie fühlt sich nicht wohl.« Sie stieß Carlotta an. Als die sitzen blieb, flüsterte sie aufgebracht: »Bist du des Wahnsinns, Liebes? Lass uns nach oben gehen. Ich muss mit dir reden.«
»Warum?« Unverwandt sah Carlotta ihre Mutter an. »Mir geht es sehr gut. Ich freue mich, endlich einmal in Ruhe mit jemandem aus dem Löbenicht über die Ereignisse reden zu können.«
»Lasst sie nur, gute Frau Grohnert.« Tromnaus Stimme klang wohlwollend. »Eure Tochter tut wahrlich gut daran, den Vorfällen am Pregel auf den Grund zu gehen. Wir Alten sollten den Jungen nachsehen, wenn sie manches in Frage stellen. Sie müssen lernen, sich ein eigenes Urteil über den Lauf der Welt zu bilden. Gestattet mir also, beste Frau Grohnert, dass ich ihr die Lage aus Sicht der Löbenichter Bürger etwas ausführlicher erkläre.«
Zum ersten Mal deutete er Magdalena gegenüber eine Art Verbeugung an. Carlotta meinte gar, ein leichtes Lächeln auszumachen. Die Mutter konnte gar nicht anders, als einzulenken. »Wie Ihr meint, mein Bester.«
»Ihr seid noch sehr jung, verehrtes Fräulein. Euer Kopf sprüht vor Ideen und Plänen. Heißt es nicht, der junge Kepler aus der Altstadt und Ihr seid Euch gut?« Gegen ihren Willen errötete sie. »Soweit ich weiß, wohnt Ihr erst wenige Jahre im Kneiphof.«
»Was gebt Ihr Euch so viel Mühe, ausgerechnet ihr das zu erklären?« Verärgert brauste Hohoff auf. »Vergesst nicht, wen Ihr vor Euch habt. Frauen seid Ihr keinerlei Rechenschaft schuldig, erst recht nicht diesem Fräulein hier. Erst heißt es von ihr, sie wäre an der Geschichte mit den leeren Särgen beteiligt, jüngst aber wird viel von ihrer Nähe zu den Kurfürstlichen erzählt. Bleibt also auf der Hut. Statt uns vor dem Fräulein zu rechtfertigen, sollten wir es aufmerksam im Visier behalten.«
»Vielleicht sollte ich Euch überhaupt erst einmal zeigen, wozu ich fähig bin?« Wütend warf Carlotta die rotblonden Haare nach hinten und funkelte ihn aus ihren blauen Augen herausfordernd an. Den neuerlichen Tritt der Mutter unter dem Tisch überging sie. Unbehaglich rutschte Hohoff auf der Bank hin und her. Unter den schlechtrasierten Wangen erblasste er. Sein filziges Haar und die zerschlissene Kleidung ließen auf einen schlechten Zustand seiner Geschäfte schließen. Von innen heraus zerfraß ihn der Neid auf alle, die erfolgreicher waren als er.
»Zürnt meinem Zunftgenossen nicht«, bat Tromnau mit einem entschuldigenden Lächeln. »Urteilt nicht zu leichtfertig über uns Löbenichter. Anfangs haben auch wir uns nicht leicht damit getan, das voreilige Einknicken der Altstädter vor dem Kurfürsten gutzuheißen. Da erging es uns genauso wie Euch Kneiphofern. Vergesst nicht: Bis zu jenem Tag waren sich alle Stände am Pregel einig, Friedrich Wilhelms Begehren nach höheren Akzisen kühn die Stirn zu bieten, insbesondere, weil es mit der
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