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Das Bernsteinerbe

Das Bernsteinerbe

Titel: Das Bernsteinerbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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sie die Schriften, behandelten Seite an Seite Patienten, besprachen die Zusammensetzung von Arzneien, beauftragten Apotheker wie Caspar Pantzer mit Tinkturen.
    »Das ist sogar noch besser«, sagte Magdalena und umklammerte ihre Hand fester. »Halt ihn gut fest, diesen gemeinsamen Traum, damit er euch beiden nicht zu früh entgleitet.«
    »Dessen kannst du gewiss sein.« Stürmisch umarmte Carlotta Magdalena. Zum ersten Mal seit vielen Jahren schliefen Mutter und Tochter eng aneinandergeschmiegt ein.
    8
    H artungs alte Wirtschafterin war bemüht, den beiden Gästen den Aufenthalt in Frauenburg so angenehm wie möglich zu machen. Über den reich mit Brot, Schinken, Käse, Trockenfrüchten und Latwerge gedeckten Frühstückstisch warf Carlotta der Mutter ein Lächeln zu. Die Alte erinnerte sie in vielem an die gute Hedwig. Magdalenas Schmunzeln bestätigte, dass es nicht nur ihr so erging. Geschäftig watschelte sie zwischen den Gästen hin und her, beauftragte die eine Magd, Kaffee zu holen, schickte die zweite nach heißem Würzwein und rührte selbst dem Hausherrn einen Löffel Honig in einen Becher warmer Milch.
    »Viel zu selten haben wir Damen im Haus«, knurrte sie und rückte ihre weiße Haube auf dem grauen Haar zurecht. »Eigentlich ist es eine Schande, dass Ihr nach dem Tod Eurer verehrten Frau Gemahlin nicht wieder geheiratet habt.« Fast schon vorwurfsvoll stellte sie Hartung den Becher hin, dem anzumerken war, dass er ihren Tadel nicht zum ersten Mal vernahm. »Euren beiden Töchtern hätte es gutgetan, eine strenge weibliche Hand zu spüren. Ganz verzogen waren sie, als sie viel zu spät erst unter die Haube gekommen sind. Fast hätte sie schon keiner mehr haben wollen, so anspruchsvoll, wie die zwei waren.« Sie beäugte Carlotta. »Zum Glück ist nicht jedes junge Fräulein so. Ihr schaut nicht so schwierig aus. Gewiss habt Ihr längst einen Bräutigam, der Euch freit.«
    Carlotta spürte, wie ihre Wangen zu glühen begannen. Magdalena lächelte. Hartung rettete sie aus der unangenehmen Situation.
    »Was haltet Ihr davon, wenn wir einen Rundgang durch meine Sammlung unternehmen? Mir war gestern Abend schon so, als hegtet Ihr Interesse.«
    »Oh, das wäre wundervoll!« Erleichtert sprang Carlotta auf.
    »Nicht so stürmisch«, mahnte Magdalena. »Zuerst solltest du eine kleine Stärkung zu dir nehmen, mein Kind. Dürfen wir Euch denn überhaupt so lange von Eurem Kontor fernhalten?«, fragte sie Hartung. »Es ist schon sehr großzügig, dass Ihr Euch bereit erklärt habt, uns für einige Wochen zu beherbergen. Da möchten wir Euch nicht noch zusätzliche Umstände bereiten.«
    »Nie und nimmer tut Ihr das, Verehrteste.« Er schenkte ihr ein breites Lächeln. Die grünen Augen strahlten echte Freude aus. Seinem fortgeschrittenen Alter zum Trotz wirkte er auf einmal jung und ungestüm. Kaum konnte er es erwarten, seine Schätze vorzuführen.
    Die Wirtschafterin bedachte ihn mit einem Kopfschütteln, wischte die Finger an der Schürze trocken und murmelte: »Tut, was Ihr für richtig haltet, mein Herr. Doch die verehrte Frau Grohnert hat recht: Euer Kontor sollte stets an erster Stelle stehen.« Sie winkte den beiden Mägden und verließ mit ihnen die Wohnstube. Hartung blickte ihr nach.
    »Sie meint es immer nur gut mit mir«, erklärte er, legte das Messer beiseite und erhob sich von seinem Sessel am Kopfende der Tafel. »Leider aber wird die Gute nie verstehen, was es heißt, eine Sammlung wie die meine sein Eigen zu nennen. Verzeiht, verehrte Damen, das mag unbescheiden klingen. Wenn Ihr aber einen Blick in mein Kabinett geworfen habt, werdet Ihr es verstehen.«
    Wenig später schlenderten sie hinter dem Hausherrn durch die Räume im ersten Geschoss. Wie auch unten in der Diele und in der Wohnstube gab es im angrenzenden Privatgemach Hartungs sowie in der zum Innenhof gelegenen Bibliothek bereits die ersten Kuriositäten zu entdecken: Masken mit wilden Fratzen, gekreuzte Speere und Fahnen unterschiedlichster Armeen sowie ein richtiges Zelt aus Westindien wurden dort aufbewahrt. Im Treppenhaus prangte ein halbes Dutzend bunter, ausgestopfter Singvögel an den Wänden, übertrumpft von einem furchterregenden Adler, der am Treppenkopf seine Flügel weit spreizte und den Schnabel wie zu einem letzten, drohenden Schrei öffnete. Versetzte dieser Anblick Carlotta und Magdalena bereits in Staunen, so wussten sie beim Betreten des eigentlichen Kuriositätenkabinetts im zweiten Stock zunächst gar nichts mehr zu

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