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Das Bernsteinerbe

Das Bernsteinerbe

Titel: Das Bernsteinerbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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verlegen an. »Schließlich …«
    »Unsere gute Carlotta hat natürlich recht, lieber Doktor.« Mathias’ Gesicht strotzte vor Überheblichkeit. Er schob sich höher in die Kissen, warf das tiefschwarze Haar zurück in den Nacken und verschränkte die Arme vor der Brust. Belustigt spitzte er den schmalen Mund.
    »Ich bin Euch wirklich zu allertiefstem Dank verpflichtet, mein verehrter Kepler.« Er setzte zu einer Verbeugung an, die im Sitzen höchst lächerlich wirkte. »Ganz selbstlos habt Ihr die letzten Tage hier an meiner Seite ausgeharrt, um mich ins arme Erdendasein zurückzuholen. Doch täuscht mich meine Erinnerung, oder steht Ihr selbst nicht nur am Ende, sondern auch am Anfang der Geschichte, die mich überhaupt erst in diese Situation hineinmanövriert hat?«
    Triumphierend sah er auf sein Gegenüber und genoss die Stille, die nach seinen Worten in der kahlen Kammer hing. Carlotta wollte etwas sagen, Christoph bedeutete ihr jedoch zu schweigen.
    »Ihr, Kepler, werdet wohl selbst zugeben, dass Ihr es wart, der mich in Königsberg so hinterhältig angefallen hat. Dass ausgerechnet der Sohn des ehrwürdigen kurfürstlichen Leibarztes und hochverdienten Stadtphysicus der Altstadt so etwas Unerhörtes tut! Ich bin entsetzt.«
    Das war zu viel für Carlotta.
    »Du elender Mistkerl! Schieb jetzt nicht Christoph die Schuld dafür in die Schuhe, dass du aus der Armee der Kurfürstlichen geflohen bist! Es war allein deine Entscheidung. Er konnte gar nicht anders, als dich anzugreifen. Du hast ihn doch erst dazu herausgefordert. Hättest du uns in Ruhe gelassen, wäre es gar nicht so weit gekommen, dass er dich niedergerungen hat. Wenn du das nicht offen vor deinen Kameraden zugeben kannst, ist das deine Sache. Christophs wegen hättest du nicht klammheimlich vor den Dragonern Reißaus nehmen müssen!«
    »Wer hat Reißaus genommen?« Plötzlich stand Tante Adelaide in der Tür. Ihre hochgewachsene, ganz in Schwarz gehüllte Gestalt füllte den gesamten Rahmen aus. Als Carlotta der erschrocken dreinblickenden Nonnen auf dem Gang gewahr wurde, begriff sie, dass die Tür zum Gang bereits seit Christophs Rückkehr offen stand. Damit hatte jeder, der wollte, mit anhören können, was Mathias, Christoph und sie sich an unschönen Dingen zu sagen hatten.
    »Mutter!«, stöhnte Mathias auf. Matt sank er in die Kissen zurück und starrte Adelaide an wie eine Erscheinung. Christoph trat zur Seite, um die Apothekerin durchzulassen. Sie eilte zum Bett, kniete nieder und fasste die Hand ihres Sohnes. Aufmerksam betrachtete sie seine Gestalt. Auch Mathias starrte seine Mutter aus den tief in die Höhlen zurückgefallenen Augen eindringlich an. Es war, als müssten sie mit den Blicken die verlorenen Jahre zurückholen.
    Carlotta und Christoph verständigten sich stumm, die beiden allein zu lassen. Mathias war inzwischen ausreichend bei Kräften, die Aufregung zu bewältigen. Leise schlichen sie hinaus und schickten auch die Nonnen fort, die sich noch immer neugierig auf dem Gang herumdrückten. Bedächtig schloss Carlotta die Tür zur Krankenstube.
    »Ob sie einander verzeihen können?«
    »Eigentlich hat doch nur Mathias seiner Mutter zu verzeihen«, erwiderte Carlotta.
    »Stimmt.« Christoph nickte. »Schließlich beneide ich ihn nicht um das Gespräch. Früher oder später aber müssen die beiden es führen.«
    »Sie muss ihm erklären, warum sie ihn seit Jahren in dem Glauben gelassen hat, sie wäre tot.« Carlotta schüttelte den Kopf. »Es muss furchtbar für ihn gewesen sein. Nach dem schrecklichen Überfall hat er sie noch da liegen sehen, auf das Übelste zugerichtet. Er hat gedacht, zu spät gekommen zu sein und ihr im entscheidenden Moment nicht beigestanden zu haben.«
    »Auf diese Weise von den Grenzen des eigenen Handelns zu erfahren, ist entsetzlich.«
    Betreten schwiegen sie, ein jeder in die eigenen Gedanken versunken. Auf einmal stieß Carlotta die Stille bitter auf. Sie bildete sich ein, Christoph zürnte ihr wegen ihres Mitleids Mathias gegenüber. Immerhin musste es vorhin auf den ersten Blick so ausgesehen haben, als küsste sie den Vetter. Und jetzt litt sie gar derart mit ihm! Kein Wunder, dass Christoph sie nicht mehr ansehen, geschweige denn mit ihr reden wollte.
    »Christoph, du darfst keinesfalls denken, Mathias und ich stünden uns noch besonders …«
    »Scht!«, bedeutete er ihr und legte ihr den Finger auf die Lippen. Seine Augen blickten auf eine Stelle in ihrem Rücken. Sie wandte sich um und

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